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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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ungepflegt als sonst aussah und abgenommen hatte.
    »Warum die Verschiebung?« fragte Harrington. »Ich dachte, Sie wären längst unterwegs. Jemand hält Ihnen wohl den Stuhl warm?«
    »Ich fahre überhaupt nicht«, sagte Jeremy. »Die Planung ist geändert worden.« Er machte einen Schritt auf Harrington zu, aber der rührte sich nicht von der Stelle.
    »Wer übernimmt dann den Posten? Erzählen Sie mir bloß nicht, diese törichten Leute da oben wollen meine Kontakte einfach in der Luft hängen lassen. –«
    »Keineswegs«, gab Spencer-Barr zurück. »Jemand aus Washington geht nach New York. Aber ich muß jetzt weiter, ich habe es eilig.«
    Harrington trat zur Seite. »Und was wird aus Ihnen, treten Sie in die Personalabteilung ein?« Er lachte, als Jeremy ohne eine Antwort an ihm vorbeiging.
    Er sah Jeremy nach, als dieser auf der Treppe verschwand. »Schmutzfink«, murmelte er vor sich hin. Dann setzte er seinen Weg nach oben fort.
    Er hatte versucht, mit Davina Graham in Kontakt zu kommen, aber ohne Erfolg. Sie war seit Wochen nicht mehr im Büro erschienen. Sie erstattete White nicht mehr persönlich Bericht, und niemand wußte, wo sie war. Ein Schleier der Ungewissheit hatte sich über die Existenz von Sasonow und seiner ›Betreuerin‹ gelegt. Harrington hörte auch nichts von Kollegen, die sie vielleicht gesehen oder mit ihr in Verbindung gestanden haben konnten. Sie war sofort nach dem Brand in Halldale Manor von der Bildfläche verschwunden. Er saß an den Abenden allein herum, hielt sich an den Entschluß, nicht mehr zu trinken, und fragte sich, ob die durch ihr Verschwinden eingetretene Leere bedeutete, daß sie tot sei. Aber wenn ein Mitarbeiter verstarb, wurde die Personalabteilung immer benachrichtigt. Er hatte nichts dergleichen erfahren.
    Er machte sich an seinem Schreibtisch zu schaffen, legte Personallisten an, dachte aber in Wirklichkeit an andere Dinge. Spencer-Barr ging also nicht nach New York. Es schien ihm nichts auszumachen, also mußte er irgendeinen anderen Auftrag erhalten haben. Und ganz kurzfristig obendrein, denn Peter Harrington wußte genau, wann sein Nachfolger abreisen sollte, und seine Bemerkungen waren rein boshaft gemeint gewesen – keine Sticheleien gegen einen erfolgreicheren Rivalen. Trotz seiner Sprachkenntnisse und trotz seiner akademischen Grade war Spencer-Barr im Nachrichtendienst ein kümmerlicher Amateur. Nur ein Verrückter würde ihm erzählt haben, daß ein Diplomat von der Botschaft in Washington den Posten bei der UNO übernehmen sollte. Das war eine vertrauliche Nachricht; er überlegte sich, ob er von dieser Information Gebrauch machen sollte, um Spencer-Barr zu schaden, aber er war nicht einflussreich genug, als daß ihn jemand angehört hätte.
    Er hatte Davinas Rat beherzigt, er hatte sich die erholsame Wirkung eines Drinks versagt, wenn er müde und einsam war, er hatte den Konsum von Kohlenhydraten eingeschränkt und er war in einen Turnverein eingetreten, wo er zweimal in der Woche trainierte. Sie hatte ihm an jenem Abend, als sie in Jules' Bar miteinander sprachen, Hoffnungen auf eine neue Stellung gemacht. Er hatte sich an diese Hoffnung geklammert und getan, was sie ihm geraten hatte. Aber nichts war geschehen. Kein Anruf kam, um ihn vom Abstellgleis, sprich Personalabteilung, wieder in den Verkehr zu bringen. Die Sehnsucht nach einem großen, wärmenden Scotch wurde immer stärker in ihm. Nach Feierabend ging er nicht mehr ins nächstgelegene Pub, sondern fuhr direkt nach Hause in die Eintönigkeit seiner kleinen Wohnung in Earls Court, wo er bis zum Sendeschluss vor dem Fernseher sitzen blieb. Er hatte sich gerade ein Sandwich und eine Tasse Kaffee zubereitet, als das Telefon läutete. Er sprang auf und fluchte, weil er sich den heißen Kaffee über das Hosenbein geschüttet hatte.
    Als er Davinas Stimme hörte, lachte er aus lauter Erleichterung laut auf. »Mein Gott, ich hatte schon gedacht, die Erde hätte Sie verschluckt – wie geht es Ihnen? Wo haben Sie gesteckt? Niemand wußte, wie man Kontakt mit Ihnen aufnehmen könnte.«
    »Mir geht es ausgezeichnet«, sagte ihre Stimme. »Ich war bloß nicht im Büro – das ist alles. Aber ich freue mich, wenn man mich vermisst hat. Wie geht es Ihnen, Peter?« Er wußte, es war ein echtes Verhör.
    »Ich bin trocken und ungefähr sechs Pfund leichter. Ich führe ein Leben der Selbstentsagung, und das ist kein Scherz. Kein Schnaps, kein Sex, und ich gehe zweimal in der Woche zum Turnen. Ich werde

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