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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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an seiner Seite hätte liegen können. Er erinnerte sich an die Hochzeitsreise auf die Krim in jenem zauberhaften Frühling. Sie waren damals beide noch sehr jung, und trotz ihrer modernen, aufgeklärten Erziehung lag etwas Altmodisches in ihrem Verhältnis und in der Trauung im Hochzeitspalast. Sie hatten schon vorher miteinander geschlafen, aber den eigentlichen Höhepunkt ihrer Liebe erreichten sie in dem süß duftenden Gras bei herrlichem Sonnenaufgang. Es war ihm erst später klar geworden, daß diese unbewußte Erinnerung ihn bewegt hatte, die Ansichtskarte mit dem dramatischen Sonnenaufgang über dem heidnischen Tempel in der Salisbury-Ebene auszusuchen. Er hatte sie schon lange geliebt, und seine Liebe blieb bestehen, auch als die Leidenschaftlichkeit ihrer Beziehungen nachließ. Sie war seine Freundin, seine Mutter, sie kannte seine geheimsten Gedanken. Zu einem Leben voller Arbeit in einer Welt des Misstrauens und der Täuschungen stand sein Privatleben in krassem Gegensatz. Und aus diesem Kontrast gewann er eine geistige Unabhängigkeit, die Freunde wie Jakob Belezky im Familienkreis willkommen hieß, denn hier war Gedankenfreiheit und Ausdruckskraft ein geheiligtes Gut. Fedja besaß eine natürliche Geradheit, die ihn oft beschämte, wenn er seine beruflichen Maßstäbe anlegte. Seine Tochter war ein guter Kamerad und sein ganzer Stolz; klug, unkompliziert, ein fröhliches Mädchen mit einer aussichtsreichen Zukunft. Er hatte zu Hause wie in einem Zauberkreis gelebt, und seine Liebe zu Jacob war ebenso tief wie die Liebe zu Frau und Kind. Fedjas Kraft hatte ihm geholfen, den Entschluß zur Flucht zu fassen.
    Er drehte sich um und betrachtete die schlafende Frau an seiner Seite. Sie hatten wenig gemein, außer einer tiefen Reinheit des Herzens. Fedja war gescheit und besaß gesunden Menschenverstand, aber sie war eine reife Frau, die nie unter Hemmungen gelitten hatte. Davina Grahams scharfer, intuitiver Verstand war teil einer Persönlichkeit, die sich noch nicht voll entwickelt hatte.
    Mitte Dreißig, war sie noch immer nicht ganz erwachsen. Ihre Liebe zu ihm war eine Mischung von Unterwerfung und einem gewissen Beschützerkomplex. Gelegentlich kam es bei ihr zu Ausbrüchen, wenn sie ihre Selbständigkeit bedroht sah. Und im Hintergrund war noch das Kind zu erkennen, den Finger im Mund, seiner selbst nicht ganz sicher. Er brauchte einen Anstoß, um sein neues Leben zu beginnen. Er brauchte die stille Unterstützung durch seine Frau, die ihn und seine innersten Gefühle verstand. Ihr Schweigen wirkte auf ihn beruhigender als die dialektischen Argumente einer Intellektuellen wie Davina. Davina konnte ihn nie überzeugen, daß er recht hatte, wenn er gegen seine Heimat arbeitete, denn sie gehörte nicht dazu. Sie würde nie begreifen, was er aufgegeben hatte, denn sie war keine Russin.
    Sie hatte die Bettdecke von sich geschoben, und er deckte sie gegen den kühlen Luftzug wieder zu. Während der ganzen letzten Woche waren sie ins Bett gegangen und gleich eingeschlafen. Nach Liebe stand ihm nicht der Sinn, und sie war feinfühlig genug gewesen, sich ihm nicht zu nähern. Wenn sie sich unbeobachtet glaubte, machte sie einen unglücklichen Eindruck. Sie tat ihr Bestes, um ihn bei Laune zu halten und um ihn weiterhin auf gute Nachrichten von seiner Familie hoffen zu lassen. Aber auch ihre eigene Zuversicht wurde geringer, und es war ihr Vorschlag – nicht seiner – gewesen, daß sie heimlich die Wohnung verlassen und sich von einem ihrer Sicherheitsbeamten zum Brigadier fahren lassen wollte.
    Die Fahrt war für diesen Vormittag geplant. Er erwartete die vor ihm liegende Einsamkeit mit dumpfer Verzweiflung. Er sah wieder den Abgrund vor sich, und er war versucht, aufzugeben und sich in die Tiefe fallen zu lassen.
    Sie bewegte sich und berührte ihn mit einer Hand. Im selben Augenblick wachte sie auf.
    »Iwan? Bist du wach?«
    »Ja, es ist noch sehr früh. Schlaf wieder ein.«
    »Was ist denn?«
    Er konnte in ihren forschenden Augen den Ausdruck tiefster Besorgnis erkennen.
    »Nichts. Ich schlafe gleich wieder ein.«
    »Nein, bestimmt nicht«, sagte sie. »Das tust du jetzt jede Nacht. Du wachst um vier auf und liegst einfach da.«
    Sie griff nach oben und schaltete die grelle Nachttischlampe ein. Sie sah bleich und unausgeschlafen aus.
    »Ich mache uns Kaffee«, sagte sie. Sie stand auf und fröstelte. »Es ist kalt – die Zentralheizung wird erst um sechs angestellt. Ich schalte den elektrischen

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