Dawning Sun (German Edition)
er dich noch einmal angegangen?“
„Nein. Leon hat auch nichts mehr gemacht, er mischt bei dem Mobbing nicht mit.“
„Nicht, wenn du in der Nähe bist. Als du krank warst, hat er jeden wissen lassen, wie entsetzt er darüber war, dass du dich als Homo entpuppt hast und musste ungefähr jede Zehntelsekunde drei Mal jedem versichern, ob der es nun hören wollte oder nicht, wie hetero er ist.“
„Ich hab diesem Dreckskerl vertraut.“ Josh spürte, wie seine Unterlippe zu beben begann, obwohl er hart gegen die Tränen kämpfte. Tom ließ seine Hände nicht los, wartete einfach schweigend, bis Josh sich wieder gefangen hatte.
„Warum sprichst du in der Schule nicht mit mir?“, fragte er schließlich. „Du läufst vor mir weg – willst du auch beweisen, dass du nichts mit dem schwulen Opfer zu tun hast?“
Tom antwortete nicht, sah an ihm vorbei. Traurig und enttäuscht machte sich Josh von ihm los und stand auf. Er konnte und wollte nicht dagegen ankämpfen, wenn Tom sich vor ihm verschloss.
„Danke für … das hier. Ich geh jetzt mal“, murmelte er. An der Tür holte Tom ihn ein und hielt ihn fest. Für einen Moment fühlte es sich erschreckend an. Im nächsten musste sich Josh zurückhalten, um sich ihm nicht an den Hals zu werfen.
„Warte, es … Es gibt viele Gründe. Keiner hat etwas damit zu tun, dass ich Angst hätte, genauso zum Opfer gemacht zu werden. Ich kann nicht …“ Abrupt ließ er ihn los und hob die Jacke auf, die Josh vergessen hatte.
„Wir – hm - bis Montag. Wenn du magst, kannst du wiederkommen, dann zeige ich dir die besten Methoden, einen Angreifer schnell auszuschalten.“
Josh zögerte. Tom faszinierte ihn. Er wollte mehr über ihn erfahren, ein paar seiner dunklen Geheimnisse lüften. Er wollte dieses Lächeln sehen und umarmt werden. Von diesen Lippen geküsst werden. Erkunden, wie sich kratzige Bartstoppeln auf seiner Haut anfühlten. Und noch so vieles mehr. Tom hielt sich allerdings krampfhaft von ihm fern und würde ihm vermutlich nichts geben außer Kummer und vergeblicher Hoffnung. Es wäre klug, niemals wiederzukommen.
„Ich weiß nicht, ob ich am Montag Zeit habe“, stammelte Josh. „Ich muss lernen und zum Training.“
„Ich werde hier sein“, sagte Tom. So aus der Nähe wirkten seine Augen wie ein stilles Meer voller Gefühle. Josh nickte schwach und floh, so rasch er konnte. Er würde untergehen, wenn er noch eine Sekunde länger blieb!
15.
Tom schloss leise die Tür, um sich daran zu hindern, Josh nachzuschauen. Es war sinnlos, Joshs Gesicht war unauslöschlich in seine Gedanken eingebrannt. Er war keine Schönheit im klassischen Sinne, sondern ein in sich wunderbarer Anblick, den zu betrachten Tom normalerweise niemals müde wurde. Selbst verletzt und erschöpft, die hübsche Fassade niedergerissen, konnte er ihn nicht abschrecken. Tom hatte gefürchtet, dass es ihn abstoßen würde, sein idealisiertes Bild von Josh aufgeben zu müssen, sobald er ihn näher kennen lernte. Stattdessen zog er ihn stärker an als je zuvor.
Ich hätte ihn nicht einladen dürfen. Nicht noch einmal. Ich hätte mich nicht erklären dürfen, nachdem er doch endlich verstanden hatte, dass ich nicht gut für ihn bin. Er braucht jemanden, der ihn hält und findet keinen. Ich muss stark sein. Stark genug, ihn loszulassen. Stark genug, ihn fortzuschicken. Warum pack ich das nicht?
Du bist schwach, Tom, hörte er die verhasste Stimme in sich widerhallen. Du bist zu schwach, um meiner würdig zu sein. Deshalb bist du mein Opfer. Ist nicht meine Schuld, dass du schwach bist, oder? Hör auf zu flennen. Du bist schwach, Tom.
16.
Zuhause wurde Josh bereits erwartet.
„Leon ist schon seit über einer Stunde hier“, sagte seine Mutter tadelnd. „Warum hattest du das Handy aus? Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen. Er ist oben in deinem Zimmer.“
Josh war dankbar für den Schock über diese Enthüllung. Er befähigte ihn, stumm zu nicken und seine Mutter nicht merken zu lassen, wie entsetzt er in Wirklichkeit war.
„Ist er allein?“, fragte er mit der Hand am Treppenlauf.
„Was? Oh ja, natürlich, hast du noch jemanden erwartet?“
Josh schüttelte den Kopf und stieg die Treppe hoch. Nie zuvor hatte er bemerkt, wie rasch sich zwölf Stufen bewältigen ließen. Viel zu schnell war er oben. Es brannte in ihm, einfach wegzulaufen. Sich weigern, mit Leon zu reden. Irgendwann würde der schon abhauen!
Es waren Toms Worte, die ihn bleiben ließen. Vielleicht wollte Leon
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