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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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wollte, schmerzte mit jeder Minute ein bisschen mehr.
     

12.
     
„Josh, kommst du mal langsam da raus?“
Die Stimme seiner Mutter hatte leider keine heilende Wirkung. Andernfalls hätte Josh ihr gerne gehorcht. Er wollte zur Schule. Er wollte es wirklich. Mit den Spinnern, die versuchten, ihn zu mobben, kam er schon irgendwie klar. Nico hatte sich schließlich gestern auch hauptsächlich auf Blicke beschränkt.
Warum also kam sein Unterbewusstsein nicht genauso mit der Sache klar?
Beim bloßen Gedanken, das Badezimmer verlassen zu müssen, würgte er von neuem. Sein Magen war längst leer, trotzdem wollte der Brechreiz nicht nachlassen. Wie erschlagen hing Josh über der Badewanne, die er glücklicherweise von der Toilette aus erreichen konnte – der Durchfall wollte genauso wenig aufhören.
„Josh, alles in Ordnung?“ Seine Mutter klopfte energisch an die Badezimmertür.
„Bin krank!“, rief er matt, bevor sein Körper ihn erneut zur Aufmerksamkeit zwang.
„Klingt schlimm … Schatz, brauchst du Hilfe?“
„Nein, es geht, alles bestens!“ Das Letzte, was er wollte, war eine Mutter, die ihn wie ein Baby wusch.
„Okay, ich rufe für dich im Sekretariat an, hat ja keinen Sinn so.“
Dieser Satz schien seine revoltierenden Eingeweide etwas zu besänftigen. Jedenfalls ließ der Druck im Magen nach.
„Ich koch dir einen Kamillentee, und bring dir Zwieback. Wenn du irgendwas brauchst, ruf einfach.“
„Ja, Mama.“ Es klang nicht so, als würde sie gerne abziehen, aber sie ging trotzdem.
„Ein Kopfschuss wäre nicht schlecht“, murmelte er, leise genug, dass sie es auf keinen Fall hören konnte.
Etwa eine halbe Stunde später war Josh in der Lage, sich und das Bad zu reinigen und ohne Hilfe zurück ins Bett zu wanken. Er wollte doch wirklich nur seine Ruhe haben …
     

13.
     
Erst am Freitag schaffte Josh es endlich, sich vor die Haustür zu quälen. Obwohl er ein wenig wacklig auf den Beinen war, fühlte es sich gut an, frische Luft zu schnappen und sich zu bewegen. Seine Hämatome schillerten zwar noch in allen Farben, mittels Heparingel und Eispacks hatte er allerdings das Schlimmste bereits überstanden und konnte einigermaßen schmerzfrei laufen.
Vor dem Schulgebäude musste Josh einen kurzen Anfall von Luftnot und Herzrasen durchstehen, als er die Masse an Schülern sah, die davor herumlungerte. Er atmete tief durch; dann marschierte er mit glühenden Wangen und innerer Panik und trotzdem aufrecht an ihnen vorbei. Als er seinen Klassenraum erreichte, war er heilfroh, sich setzen zu dürfen. Ihm war schlecht, ihm war schwindelig, und dennoch war er stolz, dass er es durchgezogen hatte. Die Alternative wäre ein weiterer Tag entsetzliche Langeweile gewesen, eingesperrt in seinem Zimmer, das nur unwesentlich größer als eine Gefängniszelle war.
Nein, lieber blöd angeglotzt und mit dummen Sprüchen bedacht werden! Immerhin schien sein Bauch diesmal auch seiner Meinung zu sein.
Tom saß auf seinem üblichen Platz beim Fenster, diagonal versetzt zu ihm. Würde er den Kopf heben, könnten sie sich ansehen. Diesen Gefallen verweigerte ihm Tom. Josh verfluchte sich selbst, dass er vorher nie auf ihn geachtet hatte. Tom war vor etwa eineinhalb Jahren hierher gezogen. Täglich gab es mindestens ein Fach, das sie gemeinsam hatten. Josh hatte wie wohl die meisten bloß auf die nietenbesetzte Kleidung, den schwarzen Mantel und die schweren Stiefel geachtet. Auf den martialisch anmutenden Schmuck, die seltsame Frisur und den abweisenden Ausdruck geachtet und ihn als Störfaktor eingeordnet. Als jemandem, dem man dringend aus dem Weg gehen sollte. Nun war es Tom, der ihm auswich, und Josh wünschte sich so dringend, es wäre anders …
Am Ende der ersten Stunde verließ Tom die Klasse; er hatte jetzt Biologie, Josh Sozialkunde. Joshs Tisch befand sich nahe der Tür. Für einen winzigen Moment trafen sich ihre Blicke. War das ein Nicken gewesen? Eine Bestätigung, dass es bei ihrer Verabredung blieb?
Aufregung breitete sich warm bis in den letzten Winkel seines Körpers aus. Hoffnung. Sie brachte ihn durch diesen Tag voller unschöner Erlebnisse. Etwa in der Deutschstunde, als niemand mit ihm gemeinsam die Partnerarbeit machen wollte. Oder als er zum Sündenbock für das geflutete Waschbecken im Chemieraum erklärt wurde und sich eine Viertelstunde lang vom Lehrer anbrüllen lassen musste. Als man ihm in der großen Pause mindestens fünfzehn Packungen Heißwachs zusteckte, gemeinsam mit einem pinkfarbenen

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