Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
Sein Beruf und seine Familie haben ihn zu dem werden lassen, was er ist.
Wie schnell die Dinge sich doch ändern, denkt er.
Wie findest du X?
Antwort: Gar nicht. Ich bringe es um.
Sein Finger pocht vor Schmerzen. Er wirft noch eine Tablette ein.
Ein Teil von ihm erkennt, dass er hier neu anfangen könnte. Das Lager scheint ihm eine zweite Chance zu bieten. Wenn hier Kinder zur Schule gehen, könnte er vielleicht sogar wieder als Lehrer tätig sein. Das Bedürfnis, sein Können an diesem Ort einzubringen, ist so echt wie Wendys Wunsch, wieder Polizistin zu sein. Auch wenn man vielleicht glaubt, es wäre Zeitverschwendung, Kindern in diesen Zeiten Mathe beizubringen: Das Gegenteil ist der Fall. Kinder sollten immer lernen und sich auf die Zukunft vorbereiten. Sonst wird es keine Zukunft geben, und der Krieg gegen die Infektion ist schon verloren. Wer so verfährt, endet in der Barbarei.
Ethan wird jedoch nie wieder lehren. Er weiß es. Selbst wenn Seuche und Geschwistermord morgen enden, kann er es sich nicht mehr vorstellen. Dieser Teil seiner Persönlichkeit ist so kaputt wie die Welt.
Die Wahrheit ist: Er ist nur aus einem Grund hier – wegen der geringen Chance, seine Familie unter den Lagerbewohnern zu finden. Diese Hoffnung, so gering sie auch ist, ist das Konkreteste, was er hat. Alles andere ist Einbildung. Er wird suchen, bis er sie findet. Er wird ewig suchen. Das macht er auch jetzt. Weil er nun mal so ist.
Todd fläzt sich mit finsterer Miene an den Tisch neben ihm. » Das hier kann ich wohl nicht schwänzen « , murmelte er.
» Hättest du lieber Algebra? « Ethan zwinkert ihm zu und versucht, ihn aufziehen.
» Algebra fand ich immer super « , erwidert Todd. » Ich konnte nur die Schule nicht ausstehen. «
Ein Mann betritt den Raum. Er unterhält sich eine Weile leise mit Kayley und geht wieder. Gleich darauf tritt eine benommen wirkende Gruppe von Menschen vorsichtig ein.
» Sie alle sind Überlebende aus Pittsburgh « , sagt Kayley der Versammlung. » Sie unterscheiden sich nicht von einander. Sie sind alle gleich. Früher waren Sie Nachbarn. Heißen Sie einander willkommen. «
Die Überlebenden zögern, schätzen sich gegenseitig ab und nicken, dann setzen sie sich hin. Die Neuankömmlinge sind schmutzig und erschöpft. Eine Frau schluchzt leise und drückt ein schlafendes Kleinkind an ihre Brust. Ein Mann legt den Kopf vor sich auf den Tisch und fällt in einen unruhigen Schlaf. Staub schwebt im Sonnenschein um sie herum. Die Leute riechen nach Asche.
» Willkommen « , sagt Kayley. » Willkommen in Camp Defiance. In diesem Raum sind Sie sicher. Sie sind hier an einem sicheren Ort, und es geht Ihnen gut. «
Die Überlebenden beruhigen sich und schauen Kayley hungrig an.
» Nach der Brüllerei « , sagt sie, » hat die FEMA im ganzen Land eine Reihe von Vorposten aufgebaut, um die örtlichen Behörden zu unterstützen. Camp Defiance gehört dazu, wenn man es damals auch nur FEMA 41 genannt hat. «
Nachdem die Brüllerei zur Seuche geführt habe, erläutert sie, sei das Lager fast überflutet worden, denn die Nachricht von seiner Existenz hatte sich verbreitet, und die Menschen waren aus ganz Süd-Ohio herbeigeströmt. Die Flüchtlinge hätten geholfen, das Lager zu organisieren, das nun von einer Mischung aus Bundes-, Staats- und städtischen Angestellten verwaltet und von diversen militärischen Waffengattungen beschützt werde.
» Das Lager hat nun mehr als hundertdreißigtausend Einwohner und wächst ständig weiter. « Kayley hält kurz inne, damit die Zuhörer alles verarbeiten können. » Ich habe zwei Jahre in Übersee für das Friedenskorps in einem Flüchtlingslager gearbeitet. Die ideale Größe für ein Lager wie dieses liegt bei zwanzigtausend. Es ist fast schon ein Wunder, dass hier alles so gut funktioniert. «
Ethan unterdrückt den Drang, einen Pfiff auszustoßen. Hundertdreißigtausend Menschen sind nur ein Bruchteil der einstigen Bevölkerung dieser Region, bieten aber eine Chance: Irgendwo in diesem Menschengewimmel sind seine Frau und seine kleine Tochter vielleicht wohlauf und gesund.
Die nächste Viertelstunde bringt Kayley damit zu, ihnen zu beschreiben, wie mit ihnen verfahren wird. Neuankömmlinge im Lager müssen sich einer kurzen medizinischen Untersuchung unterziehen und registrieren lassen, dann erhalten sie Einwohnerkarten. Nahrung und Wasser kann an den entsprechenden Ausgabestellen abgeholt werden. Fachkräften wird man möglicherweise Arbeitsplätze
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