Dead Beautiful - Deine Seele in mir
zurückgeschoben. Aber Minnie erschien nicht. Ich gab auf, hüpfte unter die Dusche und stellte das Wasser an.
Als ich gerade das Shampoo aus meinem Haar spülte, hörte ich, wie mir gegenüber ein Duschkopf aufgedreht wurde. Dann raschelte ein Vorhang.
Ich spähte hinaus: Der Vorhang gegenüber war nur halb zugezogen und eine magere Silhouette zeichnete sich dahinter ab. Ich beugte mich hinaus, um besser sehen zu können.
Unter der Dusche stand Minnie Roberts in ihrem Badeanzug. Bei jedem anderen hätte der Badeanzug seltsam gewirkt, aber Minnie war ohnehin schon derart exzentrisch, dass ich nicht überrascht war. Alle erzählten, dass sie eine Hypochonderin war und eine Bakterien-Phobie hatte.
Ich trat aus der Dusche und rubbelte mich ab. Schließlich hörte ich, wie sie das Wasser abdrehte, und dann das Tapsen ihrer Füße auf dem Fliesenboden. »Warte«, sagte ich.
Minnie hatte Angst in den Augen, als sie den Raum nach möglichen Zeugen absuchte – als wollte sie nicht beobachtet werden, wenn sie mit mir sprach. Sie war in ein Handtuch gewickelt, ihre Haut vom heißen Wasser gerötet.
»Darf ich dich was fragen?«
Damit schien Minnie nicht gerechnet zu haben. »Ich …äh … ich weiß nicht. Glaub nicht, nein«, sagte sie und kehrte mir den Rücken zu.
»Ich denke übrigens nicht, dass du verrückt bist«, rief ich ihr nach. Das brachte sie zum Stehen.
»Na danke, sehr freundlich«, sagte sie, fast sarkastisch.
»Ich denke auch nicht, dass du letztes Jahr gelogen hast.«
Erst zögerte sie, doch dann klaubte sie auf einmal ihre Sachen zusammen und wollte gerade den Waschraum verlassen, als ich ihr zurief: »Was weißt du über Cassandra Millet?«
Sie wurde stocksteif. »Ich weiß gar nichts«, antwortete sie mit dem Rücken zu mir. »Ich sollte jetzt gehen.«
»Nein, warte!«
Minnie rührte sich nicht.
»Ich muss Eleanor finden. Sie ist irgendwo da draußen. Bitte, hilf mir.«
Sie drehte sich zu mir um und sah mich an, ungläubig und voller Angst.
»Warum fragst du mich?«
»Weil ich glaube, dass Eleanors Verschwinden irgendwie mit Cassandra Millet zu tun hat. Mit ihrem Tod.«
»Mit ihrem Tod?«, wiederholte sie gedehnt, als ob sie herausfinden wollte, ob ich mich über sie lustig machte.
Ich blickte ihr in die Augen. Sie waren dunkel und gehetzt, wie die eines Menschen, der dem Wahnsinn nahe ist.
»Ich glaube dir«, sagte ich.
Ihre Lippen bebten und ich dachte, gleich würde sie weinen. Doch sie presste ihre Kleider fest an ihren Körper und seufzte erleichtert auf. »Komm mit.«Minnies Zimmer war am anderen Ende unseres Stockwerks und zu meiner Überraschung überaus normal. Es wirkte wie ein gemütliches Zimmer in einem Landhaus, mit einer Patchworkdecke auf dem Bett, einer Grünpflanze am Fenster und Kunstdrucken von Degas’ Tänzerinnen an der Wand. Minnie hängte ihr Handtuch auf und setzte sich auf den Bettrand. Vor dem Kamin stand eine Reihe seidener Ballettschuhe.
»Du tanzt?«, fragte ich. In der Schule wirkte sie so unbeholfen. Ständig ließ sie beim Essen ihr Tablett fallen oder purzelte die Stufen von Haus Horaz hinauf – kaum vorstellbar, wie sie auf der Zehenspitze balancierte.
Minnie lachte nervös. »Nein, ich … ich male sie nur.«
Die andere Seite des Zimmers war leer, der Tisch kahl, die Matratze nackt.
»Keiner wollte mit mir zusammenwohnen«, erklärte Minnie.
Vorsichtig behielt mich Minnie im Auge, während ich mich in ihrem Zimmer umsah. Auf dem Boden und der leeren Matratze waren Dutzende loser Kohlezeichnungen ausgebreitet. Sie kam mit wenigen Strichen aus und doch waren ihre Bilder irgendwie viel eindrucksvoller als die Objekte selbst. Neben den Zeichnungen von Ballettschuhen gab es auch Landschaftsbilder vom Schulgelände und Porträts – wunderschöne Porträts – einer alten Frau, eines jungen Mädchen, eines alten Mannes und eines von Minnie selbst.
»Hast du die gemacht?«, fragte ich.
Minnie nickte.
»Die sind unglaublich schön.«
»Danke«, sagte sie leise. »Wenn dir dauernd alle sagen, dass du verrückt bist, glaubst du irgendwann selbst daran. Beim Malen erinner ich mich dran … dass ich’s … nicht bin.«
»Das Gefühl kenn ich.« War ich verrückt zu glauben, dass der Tod meiner Eltern Mord war? Dass Dante mehr war, als er zugab? Mich erinnerte nichts daran, dass ich richtig im Kopf war.
»Du bist in Gartenbau, oder?«
Ich nickte.
»Wie ist das denn? Mein Vater wollte unbedingt, dass ich in den Kurs reinkomme, aber ich hab den
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