Dead Souls: Horror (German Edition)
seine mit Gänsehaut überzogene Haut. In der Nähe dröhnte eine Sirene durch die Nacht. Er zuckte zusammen, war völlig verwirrt, schaute auf das beleuchtete Fenster, das weit offen stand, Marys beiger Leinenvorhang bauschte sich in der sanften Brise auf. Er kletterte hinauf und suchte nach dem Fensterbrett. Und genau da erblickte er die Feder, die er fest in seiner Hand umschlossen hielt.
Der Vogel, den ich vorhin gesehen habe …
Er spürte, wie er das Gesicht verzog, als er sofort versuchte, die Situation zu analysieren, während seine Augen verständnislos die große schwarze Feder anstarrten. Er drückte den Federkiel fest zwischen zwei Finger, weil er annahm, die Feder wäre von großer Bedeutung, und dass er sie aufbewahren müsste. Herrgott, was mache ich hier draußen? Seine schweren Augen wanderten hoch zu der Mondsichel, dann kroch er wieder in das Appartement zurück, darauf bedacht, sich nicht am Fensterrahmen zu verhaken.
Kaum das er auf den Beinen stand, gewann er wieder an Gleichgewicht, dann schaute er auf und wiederholte fast Mary Petries vorherige Vorstellung, bei vollem Bewusstsein umzukippen.
Sein Vater saß am Küchentisch.
Eine Welle unerklärlicher Peinlichkeit traf Johnny wie ein stürmischer Wind und erst, als er halb im Wohnzimmer war, stellte er fest, dass sein Vater ihn noch nicht bemerkt hatte. Ed Petries Augen waren geschlossen, er runzelte die Stirn, als würde er über irgendein Problem nachdenken, über eines, von dem er trotz seiner Bemühungen nicht wusste, wie er es lösen sollte.
Aus den Augenwinkeln heraus konnte Johnny seinen Pyjama zerknautscht am Boden beim Couchende liegen sehen. Er schlich sofort hinüber und zog ihn an, dabei achtete er vorsichtig darauf, dass er die Feder nicht beschädigte. Er war gerade laut genug, sodass Ed ihn hörte, aber sein Vater, wahrscheinlich betrunken, stützte sich weiterhin unkommunikativ mit den Ellbogen auf den Tisch.
Johnny legte die Feder auf den Beistelltisch neben dem Sofa, dann eilte er in die Küche, wo er still darauf wartete, dass Ed seine geschwollenen Augen öffnete. Es dauerte eine Weile, aber schließlich nahm Ed Johnnys Anwesenheit war und starrte mit feuchten, roten und müden Augen vor sich hin.
Ed Petrie hatte geweint.
»Dad?«
»Hmmmm?« Er schaute zu Johnny und Johnny nahm an, er würde eine Art blasse Verwirrung in seinen Gesichtszügen erkennen: Eine triste Fassade, die vielleicht das Endergebnis von einigen zu viel gewesen war. Ed bewegte die Hände, und Johnny erblickte die Nachricht, die er zuvor hinterlassen hatte, zerknüllt in der rechten Faust seines Vaters. Nervös atmete er tief durch, dann richtete er sein Augenmerk wieder auf das Gesicht seines Vaters; obwohl es sich nicht verändert hatte, schien sich jetzt eine Spur von Angst darin zu verbreiten. Interpretiere ich da zu viel hinein?
»Dad, geht es dir gut?«
Er grunzte und richtete seinen Blick auf irgendeinen unbestimmten Punkt in der Küche zwischen Kühlschrank und Herd. Er runzelte die Stirn, als er sagte: »Ich habe gerade mit deiner Mutter gesprochen.« Johnny konnte den bitteren Alkoholgestank in seinem Atem riechen.
»Das hast du? Jetzt gerade?«
Ed stand unerwartet auf, zögerte, dann taumelte er durch das Wohnzimmer und blieb auf halbem Weg zwischen Küche und seinem Schlafzimmer stehen. Nach einer langen Pause sprach er systematisch: »Ich habe im Krankenhaus angerufen. Sie haben mich zu ihr durchgestellt.«
Johnny schluckte etwas Hartes in seinem Hals hinunter und sinnierte: Er hat bestimmt gesehen, dass das Fenster zur Feuerleiter offen war. Er hat bestimmt gesehen, wie ich ohne Klamotten hereingekrochen bin. Warum hat er also nichts gesagt? Warum? Weil er stockbesoffen ist und sich einen Scheiß dafür interessiert? Er wollte seinen Vater fragen, was los war, aber er war schnell in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen: Mary hatte ihre heimliche Angst mit Ed geteilt, und Ed hatte wie Mary sein ganzes Leben damit verbracht, ebenfalls Angst davor zu haben…
(Benjamin Conroy)
… und jetzt versuchte er, mit diesem plötzlichen Dilemma fertigzuwerden, aber er tat sich wirklich schwer damit, weil er völlig kaputt war und sich seine Vernunft systematisch von seinem Gehirn trennte, ein Stecker nach dem anderen wurde gezogen.
»Dad, was hat sie gesagt?«
Er antwortete nicht. Er schaute mit glasigen Augen durch Johnny hindurch und sagte: »Ich gehe jetzt ins Bett«, dann drehte er sich um und verließ das Wohnzimmer, leise
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