Dead Souls: Horror (German Edition)
Himmels willen, wir alle sind von dem ganzen Rauch heute Morgen fast ohnmächtig geworden! »Na ja, ich jedenfalls nicht«, platzte es aus ihm heraus, dann fügte er hinzu: »Und ich habe keins der Dinge gesehen, von denen Dad heute Morgen gesprochen hat. Du?«
»Du meinst …«
»Den Geist, den Nebel, den Vogel, die Kuhglocke. Und ich erinnere mich auch, dass er gesagt hat, er würde ein Geschenk in seiner Hand halten … aber seine Hand war leer , Lizzie.«
»Ja, ich habe auch nichts von diesen Dingen gesehen.«
Er ertappte sich dabei, wie ihm sein Vater in den Sinn kam, von Rauch umgeben, seine Reflektion im »Zauberspiegel« betrachtete und sagte, du bist es . In diesem Augenblick war wirklich alles so seltsam gewesen – Daniel konnte nur das Spiegelbild seines Vaters sehen, das aus dem Spiegel herausschaute.
Elizabeth ergänzte: »Ich denke, ich habe gesehen, wie Dad letzte Nacht die Feder auf mein Fensterbrett gelegt hat.«
»Das hast du?«
Sie nickte. »Es war spät, wahrscheinlich gegen Mitternacht. Ich hatte etwas gehört. Ich bin aufgewacht, und es war dunkel, aber ich habe draußen am Fenster eine Gestalt gesehen.« Sie hielt inne und blickte Daniel über die Schulter. »Schau mal da drüben!« Sie deutete, und Daniel folgte ihrem Finger zur Ecke des Hauses, wo eine Ausziehleiter lehnte. »Ich denke, er hat sie im Vorfeld platziert, genau wie er es mit den Glocken und den ganzen Requisiten getan hat.«
»Dann ist also nichts echt. Gar nichts.«
Sie machte eine Pause, dann fragte sie: »Du glaubst an Gott, richtig?«
»Natürlich.«
»Aber … hast du dich jemals gefragt, ob Gott tatsächlich existiert? Ich meine, ist er dieses allmächtige Wesen mit einem Bart und langem wallendem Gewand, das über seine Schöpfung wacht und seine Liste mit den Bösen und Guten überprüft, um zu sehen, wer es verdient, in den Himmel zu kommen? Oder … ist Gott nur ein Konzept? Ein Bild von Güte, auf das wir zurückgreifen, wenn wir uns schlecht fühlen – wenn wir eine Schulter zum Ausweinen brauchen?«
Daniel zuckte mit den Achseln. Drinnen im Haus fing Baby Bryan zu weinen an. Pilate hob seinen Kopf, dann senkte er ihn schnell wieder.
»Nun ja«, fuhr sie fort, »mir scheint, dass Gott so bald nicht vorhat, vom Himmel herunterzukommen, um den Leuten von Wellfield die Hände zu schütteln.«
Daniel zuckte erneut mit den Achseln. Pilate legte sich näher an ihn heran, präsentierte dabei seinen Steiß. Daniel gehorchte mit weichen, gleichmäßigen Klapsen auf seinem pelzigen Hunderücken.
»Daniel, wir als gottesfürchtige Christen müssen annehmen, dass er über uns wacht, und dass wir unserem Herzen auf dem Pfad der Akzeptanz folgen müssen. Und das, mein kleiner Bruder, ist genau das, was Dad macht. Er denkt, dass er keine andere Wahl hat, als seinem Glauben zu folgen, um sicherzustellen, dass er sich – und auch uns – vor seinen Ängsten schützt.«
»Und wovor hat Dad genau Angst?«
»Wer weiß«, antwortete sie schnell, zuckte mit den Schultern und runzelte die Stirn. »Ich glaube schon, dass Dad ein bisschen neben der Spur ist, aber ich respektiere auch seinen Glauben, trotz der Tatsache, dass ich nicht besonders daran glaube.«
»Mann, Lizzie, warum hast du das nicht schon am Anfang gesagt?«
»Weil ich wollte, dass du einsiehst, dass es wichtig ist, Dad mangels Beweisen freizusprechen.«
Daniel nickte in stillem Einverständnis und sah, wie das Lachen langsam aus ihrem Gesicht verschwand. Das war ihre Art, ihn zu beschützen, indem sie ihm irgendeinen schwesterlichen Ratschlag gab. Wie Daniel hatte auch Elizabeth in der Vergangenheit die Forderungen ihres Vaters missachtet und dafür die Konsequenzen ertragen. Was das für Konsequenzen waren, konnte sich Daniel nicht vorstellen – Benjamin hatte seine Bestrafungen immer hinter verschlossener Tür durchgeführt. Wie letzten Dienstag, als Daniel zum Abendessen sieben Minuten zu spät kam (er hatte Verdauungsprobleme gehabt, weil er zu viele grüne Äpfel hinten vom Baum gegessen hatte), und sofort in die begehbare Speisekammer geschickt wurde. Benjamin holte ein Stück flachen Karton von den Regalen, legte diesen auf den Boden und streute eine gleichmäßige Schicht Reiskörner darauf. Dann packt er den Jungen am Genick und zerrte ihn auf die Knie, und Daniel erinnerte sich, dass sein Vater mit gerötetem Gesicht und geweiteten Augen völlig verrückt ausgesehen hatte, als er in diesem Moment zu ihm aufgeschaut hatte. Der ältere Conroy
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