Deadline - Toedliche Wahrheit
anfingen, konnten sie Stunden damit zubringen, billige Horrorfilme aus der alten Zeit zu schauen und dabei tonnenweise Popcorn in sich hineinzustopfen. Mir war nicht klar gewesen, wie ungesellig ich geworden war, bis die Fiktiven über uns herfielen und mein einziger Gedanke darin bestand, mich so schnell wie möglich zu verdrücken.
Die Wanze in der Seuchenschutzbehörde Portland förderte nichts Brauchbares zutage. Entweder man hatte sie gefunden und zerstört, oder sie hatte die Dekontaminierung nicht überstanden. Eine weitere Informationsquelle für den Arsch. Die Würmer, die Alaric in Oakland aktiviert hatte, schlugen sich etwas besser. Immer wieder fanden sie alte Forschungsunterlagen und kurzlebige Projekte in den Eingeweiden des einen oder anderen Servers. Wir fügten ihre Ergebnisse unserem Datenmaterial hinzu und arbeiteten weiter.
Mahir hatte ein paar Londoner Wissenschaftler aufgetrieben, die bereit waren, über unser Anliegen zumindest mit ihm zu sprechen. Ihre Namen nannte er uns nicht, und ich bohrte nicht nach. Es gab Dinge, die ich besser nicht wissen sollte. Es schien recht gut zu laufen, zumindest am Anfang, aber ab dem zweiten Tag rief er nicht mehr an und schrieb auch keine E-Mails. Seine Beiträge gingen nach wie vor termingerecht online, und er erledigte auch seine Arbeit in den Foren – von außen betrachtet schien alles in bester Ordnung zu sein – , aber er hielt nicht wie sonst den Kontakt.
Setz ihn nicht unter Druck , sagte George. Ich hörte auf sie, wenn auch mehr aus Gewohnheit, als weil ich ihrer Meinung gewesen wäre. Sie lag normalerweise richtig, wenn es darum ging, ob ich besser abwarten und wann ich vorpreschen sollte. Ich war mir nur nicht sicher, wie lange ich mich noch gedulden konnte.
Das Warten hatte etwas über zwei Wochen nach der Zerstörung von Oakland und unserer Ankunft bei Maggie ein Ende. Das Festnetztelefon klingelte. Keiner der Anwesenden – Maggie, der Doc und ich – beachtete es. Doc quälte sich gerade mit einem Artikel darüber ab, ob man Kinder der Außenwelt aussetzen sollte oder nicht. Ohne Mahirs Hilfe fiel es ihr sehr viel schwerer, ihre Abgabetermine einzuhalten.
Der Anrufbeantworter ging nach dem zweiten Klingeln ran. Ein paar Minuten lang herrschte Stille, gefolgt von der höflichen Stimme des Hauscomputers, die sagte: »Entschuldige, Shaun! Hast du einen Moment Zeit?«
Ich hasse Maschinen, die wie Menschen klingen.
»Lass mich in Frieden«, brummte ich. Der Hauscomputer hatte gelernt, mich zu ignorieren, wenn ich leise redete – wahrscheinlich haben sogar Maschinen eine Lernkurve im Umgang mit Verrückten – und wartete weiter auf meine Antwort. »Ja, klar«, sagte ich. »Was gibt’s?«
»Ein Anruf für dich.«
»Das habe ich mir gedacht. Wer ist dran?«
»Der Anrufer hat es abgelehnt, sich zu identifizieren. Nach seinem Akzent zu urteilen besteht eine siebenundachtzigprozentige Chance, dass er britischer Nationalität ist, obwohl ich seine Herkunftsregion nicht mit Sicherheit bestimmen kann. Bei dem Anruf handelt es sich allerdings um ein Ortsgespräch. Die genaue Nummer ist unterdrückt. Möchtest du weitere Informationen?«
Ich stand so hastig auf, dass ich meine Cola dabei umstieß. Schäumende Flüssigkeit lief von der Tischplatte auf den Teppich. Ich achtete nicht darauf und stürzte ans Telefon neben der Küchentür. Maggie folgte mir dichtauf und fragte: »Haus, ist es eine abhörsichere Verbindung?«
»Dieses Ende der Leitung ist gemäß Protokoll vier geschützt, was ausreichen sollte, um jeden Abhörversuch mit Ausnahme einer im Raum angebrachten Wanze zu blockieren. Den Sicherheitsstandard des anderen Gesprächsteilnehmers kann ich nicht ermitteln. Möchtest du fortfahren?« Der Tonfall des Hauses klang unendlich geduldig, seine mechanische Ruhe ungetrübt von dem Umstand, dass Maggie und ich kurz vor einem hysterischen Anfall standen.
»Ja, verdammt noch mal«, sagte ich und nahm den Hörer von der Wand. Stille empfing mich. Ich schaute gehetzt auf das Telefon. »Wo ist er?«
»Haus, verbinden«, befahl Maggie.
Es klickte im Telefon, und mit einem Mal erklang wunderbarerweise Mahirs Stimme in meinem Ohr, wenn auch leicht gedämpft, als hätte er die Hand über den Hörer gelegt. »… verspreche Ihnen, Sir, ich rufe jemanden an, der mich abholt. Es tut mir leid, dass ich mich in Ihrer Isolationszone aufhalte, aber da mein ursprünglicher Flug Verspätung hatte, ließ sich das unglücklicherweise nicht vermeiden.«
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