Deadline - Toedliche Wahrheit
niemals mit ihr schlafen dürfen, wenn ich mir nicht mal ihre Augenfarbe merken konnte. »Du hast ziemliches Glück, weißt du«, sagte sie.
Ich blinzelte. »Wie?«
»Bei den meisten Menschen, die ihre Lieben verlieren, sind sie einfach weg . Wir können sie nicht behalten. Aber du … « Sie hob die Hand und strich mir mit den Fingerspitzen über die Stirn. Ihre Haut war kühl. »Sie wird immer für dich da sein, nicht wahr? Solange du lebst.«
»Ich weiß nicht, wie ich in einer Welt ohne sie leben soll«, antwortete ich. Meine Stimme klang rau von einer Sehnsucht, die mich selbst überraschte. Ich habe nie erwartet, dass ich über sie hinwegkommen würde. Aber manchmal erschreckt es mich festzustellen, wie verdammt heftig ich sie vermisse.
»Dann hoffe ich, dass du das niemals musst.« Becks stand auf. »Es ist alles in Ordnung zwischen uns, Shaun. Zumindest für mich, und es würde mich freuen, wenn du genauso empfindest.«
Ich nickte. »Mich würde es auch freuen.«
»Gut. Ich gehe Maggie sagen, dass wir die Sache besprochen haben.« Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Behalt das Gästezimmer! Ich schlafe heute Nacht auf dem Sofa.« Sie steckte die Hände in die Taschen und ging, ehe ich noch etwas sagen konnte. Ihre Schritte klangen schwer auf der feuchten Gartenerde. Ich sah ihr nach und ließ mich dann zurücksinken und schloss die Augen.
»Wann wird endlich alles wieder einfach, George?«, flüsterte ich. »Überhaupt jemals?«
Nichts war jemals einfach , antwortete sie.
Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Ich saß im sonnenbeschienenen Garten, atmete den Duft regennassen Grases und wartete darauf, dass die Welt sich langsamer drehte. Nur ein kleines bisschen. Gerade langsam genug, damit wir uns ausruhen konnten, bevor das nächste Gewitter kam. War das wirklich so viel verlangt? Ich wollte mich bloß ausruhen.
Nur ein kleines Weilchen.
Worüber redet man anständigerweise besser nicht beim Essen? Über Politik, Religion und die wandelnden Toten.
Und worüber reden wir hier beim Essen, jeden Abend? Über Politik, Religion und die wandelnden Toten. Sowie über die Vorzüge von kleinkalibrigen oder großkalibrigen Waffen beim Feldeinsatz, über Schutzausrüstung, Maggies Garten, unsere Quoten und die Wartung der Fahrzeuge. Das ist hier alles ziemlich intensiv, man sollte besser nicht an Klaustrophobie leiden, so dicht wie wir aufeinanderhocken Es gibt keine richtige Privatsphäre, und das Haus ist so vollgestopft mit Sicherheitsvorkehrungen, dass der Zirkus, den man veranstalten muss, um rauszukommen, fast ebenso groß ist wie der, um reinzukommen. Es ist wie eine total verkorkste Mischung aus Gefängnis und Ferienlager.
Ist es nicht irgendwie komisch, dass ich mir das Nachrichtengeschäft immer so erträumt hatte? Himmel noch mal, vielleicht habe ich einen totalen Schaden, aber so viel Spaß hatte ich noch nie in meinem Leben! Ich möchte, dass jemand mich an diese Worte erinnert, wenn die ganze Sache schiefgeht und uns in den Arsch beißt.
Aus Charmante Lügen , dem Blog von Rebecca Atherton, 9. Mai2041 , unveröffentlicht.
Jetzt seht euch das an, Leute! In meinen Lebenslauf kann ich ab heute schreiben: »Eine unplanmäßige Zombiebegegnung überlebt, als ich in der Seuchenschutzbehörde war, um über den Ausbruch in Oakland zu reden.« Ich will ja nicht angeben, aber wie wär’s, wenn ihr einfach alle meinen Bericht runterladet und anschließend eure Goldener-Stevie-Nominierungsbögen für dieses Jahr ausfüllt? Ich wäre euch sehr verbunden …
Aus Charmante Lügen , dem Blog von Rebecca Atherton, 9. Mai 2041.
17
Fünf Tage vergingen ohne große Vorkommnisse. Becks und ich gingen im Wald vor der Stadt schießen, wobei wir ein Rudel von Menschen- und Kuh-Zombies aushoben. Sobald Kellis-Amberlee das Ruder übernommen hat, spielt die Spezies keine Rolle mehr. Maggie verbrachte viel Zeit damit, Gedichte zu schreiben, in ihrem Garten Unkraut zu jäten und Kelly aus dem Weg zu gehen, die Dr. Abbeys Forschungsergebnisse auf dem Esszimmertisch ausgebreitet hatte und unablässig unverständliches Zeug vor sich hin murmelte. Alaric hing bei ihr rum, hörte zu, machte sich Notizen und nickte viel. Mir lief es dabei kalt den Rücken runter, auch wenn es nur um graue Theorie ging.
Diese fünf Tage waren womöglich die letzten guten unseres Lebens. Vielleicht hatte das Universum meinen Wunsch draußen im Garten erhört. Ich weiß es nicht. Ich weiß bloß, dass ich um ein bisschen Zeit zum
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