Deadline - Toedliche Wahrheit
es geschafft, Reservoirkrankheiten bei einem Hund auszulösen. Wieso zum Teufel arbeiten wir also nicht daran, dasselbe bei Menschen hinzukriegen? Warum legen wir einfach die Beine hoch, anstatt … anstatt den Versuch zu unternehmen, etwas zu verändern?«
»Fragt sie mal, wie viele der Welpen nicht erst gebissen werden mussten, damit es zur Vermehrung kam«, erwiderte Kelly.
»Teufel auch«, sagte Alaric. »Ricks Junge.«
»Wie?«, fragte Becks.
»Er hatte einen Sohn. Und er hatte eine Frau, deren Eierstöcke mit KA infiziert waren. Als er noch nicht Vizepräsident war, hat er einen Artikel für die Website darüber geschrieben. Bei seinem Sohn brach KA aus, als er das Schwellengewicht erreichte. Er wurde mit dem aktiven Virus im Blut geboren, und es ist ihm nie gelungen, es zurückzuschlagen.« Alaric schaute zu Kelly. »Das meintest du, nicht wahr?«
»Das meinte ich.« In dem Versuch, selbstbewusst zu wirken, hob sie leicht das Kinn, doch sie sah nach wie vor bloß verängstigt aus. »Wir können kein Impfprogramm starten, es sei denn, ihr wollt jedes kleine Kind in eine Zeitbombe verwandeln. Vielleicht werden sie mit dem Virus fertig und haben später bloß kaputte Augen oder komische Kopfschmerzen. Aber vielleicht behalten sie die Krankheit auch, und eines Tages drehen sich zu einem herum und versuchen, einem die Kehle herauszureißen. Für so etwas haben wir das Virus nicht gut genug unter Kontrolle. Und wir können es den Menschen nicht sagen, weil sich dadurch zu viel verändern würde.« Sie warf einen flehenden Blick in meine Richtung. »Deine Schwester ist voller Leidenschaft für die Wahrheit eingetreten, Shaun, aber es gibt Wahrheiten, für die die Welt noch nicht bereit ist. Es gibt Wahrheiten, die einfach zu viel sind.«
»Und wer hat dir das Recht gegeben, darüber zu entscheiden?«, fragte ich leise.
»Niemand.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gab niemanden, den wir um Erlaubnis bitten konnten.«
»Buhu«, sagte Dr. Abbey. »Sag Bescheid, wenn deine Leute mal wenigstens so viel Rückgrat haben, dass sie sich mit uns anderen Wissenschaftler austauschen. Wir suchen nach Antworten. Und mit den Mitteln, die euch zur Verfügung stehen, würden wir viel weiter kommen.«
»Du meinst, ihr würdet gerne bei den verrückten Wissenschaftlern mitmachen«, sagte Kelly, deren Schuldbewusstsein mit einem Mal in Wut umschlug.
»Ich will nicht die ganze Hand, nur den kleinen Finger«, erwiderte Dr. Abbey.
Alaric schaute sie nachdenklich an. »Du meintest, dass Dr. Shoji sich nach den Versuchen mit Kreuzinfektionen aus der offiziellen medizinischen Gemeinde verabschiedet hat. Warum bist du gegangen? Warum arbeitest du nicht bei dem Seuchenschutz und versuchst, sie von innen zu übernehmen?«
»Wegen der Simon-Fraser-Universität.«
Kelly versteifte sich und ließ sich dann mit den Händen vor dem Gesicht in ihren Stuhl zurücksinken. Alarics Reaktion war nicht annähernd so dramatisch. Seine Augen weiteten sich ein wenig, und dann nickte er mit verständnisvoller, mitfühlender Miene. »Wen hast du verloren?«
Dr. Abbey schaute auf Joe die Dogge herab. Maggie streichelte ihm die Ohren, und der Hund sah aus, als wäre er im siebten Himmel. »Meinen Mann«, sagte sie ruhig. »Joseph Abbey. Er war Software-Ingenieur. Damals habe ich noch für eine Außenstelle der Seuchenschutzbehörde gearbeitet und auf ›sicheren‹ Wegen nach Lösungen gesucht. Ich befolgte die Vorschriften, ich hielt in meinem Labor die professionellen Standards ein, und ich war so dumm zu glauben, dass es darauf ankäme.«
Der Name der Universität kam mir bekannt vor, aber ich wusste nicht, in welchem Zusammenhang, und ausnahmsweise half George mir einmal nicht auf die Sprünge. »Kann mich mal jemand ins Bild setzen?«, sagte ich.
»Joe hat bei Software-Ingenieurskursen Vorträge gehalten. Angeblich war es gut für die Studenten, es mit jemandem ›aus der Praxis‹ zu tun zu haben. Ich glaube, zum Teil ging es darum, sie daran zu erinnern, dass es eine Welt außerhalb der Uni gibt.« Dr. Abbey warf einen Blick in meine Richtung. »Die Simon-Fraser-Universität war eine geschlossene Schule. Während des Semesters durfte kein Student und kein Fakultätsmitglied rein oder raus. Man kam sauber rein, man blieb sauber, man verließ sie sauber. So ziemlich das einzige Infektionsrisiko rührte von Gastdozenten und dem Personal her, und die wurden auf jede erdenkliche Art und Weise getestet. Joe sagte immer, dass er eine Woche lang
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