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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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es falsch verstanden zu haben –, und er sagte zu ihr, er wolle seine China Doll nicht so weit vom Haus entfernt haben.
    Die alte Frau erzählte das Ci-an, die daraufhin antwortete: »Dieser Bismarck ist womöglich der reichste Mann der Welt.«
    Nach ihrer Morgentoilette scheuchte Ci-an für gewöhnlich die alte Frau weg und blieb allein auf ihrem Zimmer. Sie drapierte ihre künstlichen Blumen neu und skizzierte sie dann. Und so war sie auch an dem Morgen allein, an dem sie schließlich Wild Bills Freund auf der Straße sah. Zuerst hatte sie ihn wegen seines Schmerzes nicht erkannt. Seine Kleider waren zerknittert und unordentlich, und er achtete weder auf den Matsch noch auf andere Männer, während er ging. Schmerz ist die sicherste Verkleidung.
    Aber sie irrte sich nicht. Er hatte die eine Seite des Metallblechs angehoben, auf dem Songs Körper lag, Wild Bill die andere, und gemeinsam hatten sie Song in den Ofen geschoben. Sie waren beide verantwortlich.
    Am Nachmittag sprach sie zu der alten Frau. »Da ist ein Mann«, sagte sie.
    »Es gibt viele Männer«, sagte die alte Frau, »und kein einziger taugt etwas.«
    »Schweig still«, sagte sie. »Es gibt einen Mann, den ich gern sehen möchte.« Die alte Frau schüttelte den Kopf.
    »Tan hat es verboten«, sagte sie.
    »Ich werde diesen Mann sehen«, sagte sie. Sie ergriff beide Hände der alten Frau, einem Domestiken gegenüber war das eine ungewöhnliche Geste. »Dieser Mann weiß von meinem Bruder Song.«
    Die alte Frau zog ihre Hände weg und hielt sich die Ohren zu. »So jemanden gibt es nicht«, sagte sie. »Er existiert nicht. Du forderst das gleiche Schicksal für uns beide heraus. Was würde aus meinen Kindern, wenn es ihre Mutter niemals gegeben hätte?«
    »Tan kann nicht entscheiden, wer existiert hat«, sagte Ci-an.
    Die alte Frau wollte den Raum verlassen. Ci-an hielt sie zurück, und sie fing an zu weinen. »Bitte«, sagte die alte Frau, »ich habe Angst.«
    »Es gibt einen Mann, den ich sehen möchte«, sagte Ci-an. Die alte Frau hörte ihr nicht zu. Ihre Augen flatterten umher wie ein Vogel, der einen Weg nach draußen sucht, vom Fenster zur Tür und weiter zur Decke. Sie lächelte und nickte, konnte ihre Tränen aber nicht zurückhalten.
    »Schweig jetzt still«, sagte Ci-an sanft. »Schon bald werde ich dich um etwas bitten, und wenn du das getan hast, hast du mir gegenüber keinerlei Verpflichtungen mehr.«
    Sie beobachtete den ganzen Nachmittag über die Straße, sah jedoch Wild Bills Freund nicht mehr. Sie schloss die Augen und versuchte, ihn mit schierer Willenskraft in ihr Zimmer zu locken. Sie wurde zu seiner zweiten Hälfte und weinte, dass er sie finden möge, damit sie wieder eins sein könnten. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, aber genau so würde es kommen.
    Sie besaß Sinne, die andere Frauen nur vorgaben zu besitzen.
    Abends kam Tan in ihr Zimmer, um sie mit nach unten zu nehmen. Er klopfte bei ihr an, ehe er eintrat. Er beschimpfte sie nicht, und er versuchte auch nicht, sie zu begrabschen. Er sprach sie mit ihrem Namen an, nicht mit »China Doll«, obwohl sie von seinen Bediensteten und von seiner Familie immer noch so genannt wurde. Das hatte die alte Frau ihr erzählt.
    »Du bist ein sehr glückliches Mädchen«, sagte er. Sie fragte nicht, warum. »Du hast einen sehr vermögenden Gönner. Du musst ihn weiterhin so zufriedenstellen wie bisher …«
    »Ich stelle ihn nicht zufrieden«, sagte sie. »Er beglückt sich selbst.« Tan sah zu, wie sie sich die Handflächen parfümierte.
    »Es gibt Männer, die möchten sich nicht von einer Frau zufriedenstellen lassen«, sagte er, als wäre das der fundierte Gedanke eines intelligenten Mannes. »Andere möchten nichts anderes, als einer einzigen Frau Freude bereiten. Ich glaube, deine Langnase fällt in diese Kategorie.«
    »Er ist nicht meine Langnase«, sagte sie.
    »Du solltest freundlicher gegenüber den Langnasen sein«, sagte er. »Sie haben interessante Neigungen. Und sie sind ausgesprochen großzügig.«
    »Vielleicht«, sagte sie, »wirst du selbst einer, sobald du genügend Geld besitzt.« Sie hatte gedacht, Tan würde sie daraufhin schlagen, doch er lächelte nur. »Vielleicht schenken sie dir nicht nur ihr Geld, sondern auch ihren Geruch.«
    Und immer noch reagierte er nur mit einem Lächeln.
    Er begleitete sie hinunter, lächelte und nickte mit dem Kopf, wenn Langnasen ihn ansprachen. Sie hielt den Blick zuerst auf die Stufen, dann auf den Fußboden gerichtet.

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