Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
Sie nahm die Männer, die gekommen waren, um sie zu sehen, nicht zur Kenntnis. Wahrte Distanz zu allem.
    An diesem Abend sang sie fröhlichere Lieder, auch wenn in ihr keinerlei Fröhlichkeit war. Als sie fertig war, johlten die weißen Männer und schossen mit ihren Waffen in die Decke und den Boden. Einige von den wahren Menschen johlten ebenfalls – sie konnte einzelne Stimmen aus dem Gebrüll heraushören und wusste, welche zu Chinesen gehörten.
    Sie wusste allmählich alle möglichen Dinge.
    Der weiße Mann kam an diesem Abend mit einem Geschenk. Einem goldenen Ring. Sie nahm ihn an, steckte ihn auf jeden ihrer Finger, bis er schließlich auf den Daumen ihrer linken Hand passte. Es schien ihn zu freuen, dass er passte, und er setzte sich auf ihr Bett und lächelte. Sie zog sich aus und legte sich neben ihn.
    Er redete eine ganze Weile und deutete mit den Händen auf die Berge. Er hatte an diesem Tag gebadet, sie konnte die Seife riechen. Seine Stimme klang aufgeregt, dann wurde sie ruhiger, und als er aufhörte zu sprechen, hatte er Tränen in den Augen.
    Sie verstand nicht, was ihn traurig gemacht hatte. »Bismarck«, sagte er und zeigte auf sich. Dann zeigte er mit einem anderen Finger auf sie und sagte: »Ci-an.« Und dann verschränkte er die Finger.
    Sie schloss die Augen und dachte an den Freund von Wild Bill. In diesem Moment wusste sie, dass er sich auf die Suche nach ihr machen würde.
    Sie hörte, wie Bismarck sich auszog, und öffnete ihre Augen lange genug, um zu sehen, wie er auf einem Bein stand und sein Hosenbein von innen nach außen stülpte. Jetzt war er nicht mehr so gewissenhaft mit seiner Kleidung wie zuvor. Er verlor das Gleichgewicht, sie schloss die Augen und wartete. Sein Atem ging schneller, während er sich mit seiner Hose abmühte, und dann noch schneller, als er sich ihr näherte.
    Zuerst berührte er ihre Hand, diejenige, an der sie den Ring trug. Er hielt sie behutsam, umschloss sie, als könnte etwas daraus auslaufen, und dann sprach er in ihre Handfläche und küsste jeden Finger, begann mit dem kleinsten und hörte auf mit dem Daumen, an dem er den Ring küsste.
    Wieder sprach er zu ihr, küsste ihren Arm und ihre Schulter. An seinem Schweiß konnte sie das Rindfleisch riechen, das er gegessen hatte. Seine Stimme wurde mit jedem Wort melancholischer. Es interessierte sie nicht, was seine Worte bedeuteten, aber sie dachte, dass er womöglich glücklicher wäre ohne sein Leben, wie sie selbst. Eines Tages, wenn die Zeit dafür gekommen war, würde sie seine Traurigkeit beenden.
    Abrupt setzte Bismarck sich auf, fast als hätte er in ihren Gedanken gelesen, und durchquerte den Raum bis zu dem Tisch, auf dem sie Papier und Zeichenkohle aufbewahrte, mit denen sie ihre Blumen malte. Er nahm ein Stück Kohle und mehrere Bögen Papier und kehrte dann zurück zum Bett. Er begann etwas zu skizzieren. Sie betrachtete seine Striche und sah, dass Langnasen kein Talent fürs Zeichnen besaßen.
    Zuerst malte er das Bild eines Mannes. Es war kein wichtiger Mann, denn er platzierte ihn in eine Ecke des Blattes. Der Mann hatte Striche als Arme, eine einzelne Linie als Hals, und der Mund war so schmal wie der Schnabel eines Vogels. Er zeichnete Haare, eine Krawatte und einen Hut. Er zeichnete Schuhe. Dann zeigte er auf den Mann, den er gemalt hatte, und sagte: »Bismarck.«
    Seine nächste Figur war größer. Er malte sie auf die andere Seite des Blatts, im Profil, sodass sie den Mann anschaute. Die zweite Figur bestand ebenfalls nur aus Strichen, aber sie hatte Finger, und an einem der Finger war ein Ring.
    Er zeigte auf die zweite Figur und sagte: »Frau.« Sie kannte das Wort nicht, verstand jedoch seine Bedeutung. Dann malte er Berge zwischen die beiden Figuren und Rotwild und Wasser.
    Sie sah die Zeichnung an und sagte: »Ich werde deine Traurigkeit beenden, wenn die Zeit da ist. Aber nicht jetzt.« Er lächelte sie an und verstand ihre Worte nicht. Wieder setzte er die Zeichenkohle auf das Papier und malte ein Kreuz über die größere Figur.
    Sie dachte, Bismarcks Frau sei tot. Sie lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes, behielt das Laken über ihren Brüsten und nahm ihm die Zeichenkohle aus der Hand. Sie malte auf einem sauberen Blatt ein Porträt von Song. Sie brauchte nur wenige Striche – sie hatte sein Gesicht schon viele Male gezeichnet und wusste, wie sie die Klugheit in seinen Augen zum Ausdruck brachte und die Zartheit seiner Gesichtszüge. Und als sie fertig war, malte sie

Weitere Kostenlose Bücher