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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Theaterstücken, die Jack Langrishe im Osten aufgeführt hatte. Über dem Klavier hingen ein Dankesschreiben und der Stadtschlüssel von Gary, Indiana. Die Fenster begannen knapp dreißig Zentimeter über dem Boden und reichten fast bis unter die Decke. Alle waren geschlossen. Der Raum war trotzdem angenehm kühl.
    »Mr. Langrishe ist wohl noch im Theater«, sagte sie. Sie setzte sich auf die Couch und klopfte auf das Polster neben sich. Wieder packte Charley die Hitze. Sie saßen so dicht nebeneinander, dass er nicht mehr die Konturen ihres Gesichts wahrnehmen konnte. »Seit dem Sturm nimmt das Theater meinen Mann völlig in Beschlag«, sagte sie.
    »Oh ja, das war vielleicht ein Premierenabend«, sagte er. Wieder überkam ihn dieses Gefühl unbeabsichtigter Schlauheit. Sie kicherte leise, und er sah, dass er richtig lag.
    »Der arme Jack«, sagte sie. »Er ist Tag und Nacht dort. Probt mit den Schauspielern, überwacht die Arbeiten am neuen Dach. Die Kritiken von
Camille
haben ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.«
    »Ich glaube, ich habe die Kritiken nicht gelesen«, sagte er. »Ich habe mich bedeckt gehalten …« Sie hatte ein Exemplar auf dem Tisch liegen, unter einem Fotoalbum. Es stammte aus der
Black Hills Daily Times. Miss Flowers
, hieß es da,
ist schlecht beim Sterben, weil sie zu schwerfällig stirbt. Auch bei den leidenschaftlichen Szenen ist ihre Körpersprache nicht gut. Wenn sie aufgehen sollte wie ein Berg, fällt sie in sich zusammen wie eine Schlucht. Das geht so nicht in diesem Land hier – Camille ist nicht seine Stärke
.
    Sie beugte sich über seine Schulter, während er die Kritik las. »Es verzehrt ihn völlig«, sagte sie auf eine Weise, die Charley an Essen denken ließ und direkt anschließend an Mrs. Langrishes Mund. Und dann, ohne etwas dagegen tun zu können, stellte er sich vor, wie sie ihn biss.
    Er fragte sich, ob Lurline ihn in einen analytisch denkenden Menschen verwandelt hatte.
    Während er das dachte, summte Mrs. Langrishe kurz und leise hinter seinem Ohr, ein Laut, der auf zwei Arten verstanden werden konnte. Charley hatte den Eindruck, dass man alles an Mrs. Langrishe auf zwei Arten auffassen konnte.
    »Was verzehrt Sie, Mr. Utter?« fragte sie.
    Da, sie machte es schon wieder.
    Charley schluckte und versuchte darüber nachzudenken, was ihn verzehrte. Es war kein besonders guter Augenblick zum Nachdenken. »Irgendetwas«, antwortete er.
    »Aber was?«
    Charley schüttelte den Kopf. »Es ist keine Sache wie zum Beispiel das Theater«, sagte er. »Was mich derzeit plagt, ist nicht klar umrissen.« Sie ließ eine Hand auf seiner Schulter liegen, schob sie seitlich an seinen Hals. Er spürte seinen Herzschlag dort, wo ihre Finger ihn berührten.
    Nichts war klar umrissen. Er nicht, ihr Gesicht nicht. Charley sah, dass sie nickte. »Ich verstehe«, sagte sie.
    Er machte den Mund auf, fragte sich, was wohl als Nächstes da herauskommen würde, und gleichzeitig blickte er über Mrs. Langrishes Schulter hinweg. Er versuchte, irgendetwas klar und deutlich zu sehen, bevor alles nur noch unschärfer wurde, und seine Augen blieben dann plötzlich am Flaschenfreund hängen, der sich so gegen eines der Fenster drückte, dass sein Gesicht völlig platt wirkte.
    Dieser Anblick erschreckte Charley – mit seinem Nervenkostüm war es sowieso nicht zum Besten bestellt, wenn er trank –, und Mrs. Langrishe spürte dies und drehte sich um. Sie stieß einen kleinen Schrei aus, wobei Charley später nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, ob der Grund dafür der Anblick des Schwachkopfs war, der sein Gesicht gegen die Scheibe presste, oder die Tatsache, dass er durchs Fenster fiel.
    Er krachte in die Wohnstube und rollte über den Boden. Die Glasscherben schienen ihm zu folgen. Der Flaschenfreund hatte Augen und Mund weit aufgerissen, als er stürzte – zumindest das würde Charley auf die Bibel schwören –, aber als Charley dann die Stelle auf dem Boden erreichte, wo der Schwachkopf schließlich liegen blieb, hatte der sich schon zusammengerollt und die Augen fest zugekniffen. Er sah aus, als rechnete er damit, dass der Sturz jeden Augenblick weitergehen könnte.
    An Armen und Händen hatte der Flaschenfreund kleine Schnittwunden, quer über seinen Hals zog sich ein weiterer Schnitt. Charley berührte seinen Arm, aber der Flaschenfreund schlug nicht die Augen auf. »Lebst du noch?« fragte er.
    Der Flaschenfreund gab keine Antwort.
    »Hast du dich an einer Stelle verletzt, die ich

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