Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Beine taten ihm weh, und es gefiel ihm nicht, auf einem Friedhof mit Jane Cannary zu reden. »Wieso muss es immer gleich eine Drohung sein? Wieso können Sie mich nicht einfach fragen, was Sie wollen? Wieso kann Ihnen das mit Bill nicht einfach leidtun, so wie jedem anderen auch, anstatt dass Sie ihn gleich heiraten müssen, nachdem er von uns gegangen ist?«
»Wir haben vorher geheiratet«, sagte sie. Er schloss die Augen. »Ich kann’s beweisen.«
»Der Doc macht bald zu«, sagte er.
»Er wird eine Minute warten können.« Sie biss sich auf die Lippe und suchte nach den richtigen Worten. »Was ich wissen will, ist, was soll man denn an einem Grab tun?«
Das hatte er sich auch schon gefragt.
»Ich komme direkt vom Krankenhausbett, mit einem halbwegs verheilten Bruch, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, aber ich will verdammt sein, denn ich komme nicht dahinter, was ich sagen soll.«
»Da gibt’s keine Vorschriften«, sagte er. »Aber es ist besser, gar nichts zu sagen, als zu lügen. Man ist mit dem Toten allein, also gibt es keinen Grund, sich irgendwas auszudenken. Das wäre Frevel.«
Jane nahm das ernst.
Er ging wieder in den Wald und dachte, dass Jane trotz all ihrer Angewohnheiten und Allüren ein anständiger Kerl war. Dann hörte er ihre Stimme, die mit jedem Schritt lauter wurde, mit dem er sich entfernte. »Bill«, sagte sie, »es tut mir leid, dass du hinterrücks ermordet worden bist, und es tut mir leid, dass ich nicht da war, als es passiert ist, um dir zu helfen.« Es folgte eine Pause, in der sie tief Luft holte.
»Als Mädchen fühlt man sich ganz schrecklich«, sagte sie, »wenn man in so einem Moment nicht bei seinem Mann sein kann.«
Die Trauerfeier für Prediger Smith wurde von Sheriff Seth Bullock durchgeführt, der aus dem methodistischen Gebetbuch las. Es war der erste methodistisch-episkopale Gottesdienst, der in Deadwood abgehalten wurde, und er fand einen Tag nach den Feierlichkeiten für China Doll statt, die in die nächste Welt übergetreten war.
Unter denen, die an beiden Zeremonien teilnahmen, war Malcolm Nash, der keine der anderen vorgezogen hatte. Er kehrte nach jeder Zeremonie zurück zur Blockhütte von Prediger Smith, wo er sich auf die Pritsche setzte und wartete. Der Prediger hatte ihm beigebracht zu warten. »Du bist verloren, also wirst du gefunden«, hatte er gesagt. Der Prediger hatte an einer neuen Bibel gearbeitet – die Bibel der Black Hills –, und nachdem er das gesagt hatte, schrieb er es in das Buch.
Das Buch hatte einen roten Einband und lag auf dem Tisch neben der Pritsche des Predigers. Es war immer noch die Pritsche des Predigers, Malcolm schlief auf dem Boden. Das Buch war ohne Einband acht Zentimeter dick – das dickste und schwerste Notizbuch, das man bei
Farnum’s
kaufen konnte –, aber nur die ersten zehn Seiten waren beschrieben. So weit war Prediger Smith gekommen. Er hatte gesagt, es sei eine Lebensaufgabe, und dann hatte er Malcolm angesehen und gelächelt. »Vielleicht ist es die Aufgabe von zwei Leben«, hatte er hinzugefügt. Und fünf Tage später lag er tot auf dem Weg nach Crook City.
Eine Abordnung von Methodisten war zur Blockhütte gekommen, um nach einer Anschrift der Ehefrau in der Hütte des Predigers zu suchen. »Zumindest haben die Indianer ihn nicht verstümmelt«, sagten sie. »Zumindest das nicht.«
In der Blockhütte gab es keine Anschrift, es gab überhaupt nichts Schriftliches bis auf die ersten zehn Seiten der Bibel der Black Hills, und die hatte Malcolm versteckt. Prediger Smith hatte gesagt, sie sei nicht für Alltagschristen bestimmt. »Diese Bibel ist für jene, die zu viel gesehen haben«, sagte er. »Du wirst sie verstehen, denn auch du hast zu viel gesehen.« Das akzeptierte der Junge, ohne sich daran erinnern zu können, was es war, das er gesehen hatte.
Der Prediger arbeitete abends an dem Buch, nachdem er aus dem Sägewerk zurückgekehrt war. Er beugte sich über seine Aufzeichnungen, die linke Hand um die Feder gelegt. An seinem Gesichtsausdruck erkannte der Junge, dass ihm das Schreiben Schmerzen bereitete.
Er wollte nicht, dass man ihm wehtat.
Prediger Smith war überzeugt, dass Gott durch seine Hand sprach, und er sagte dem Jungen, Gott könne womöglich auch durch seine Hand sprechen, wenn die Reihe an ihm war. Und als der Prediger beerdigt und still war, mit einem Dutzend Tränen in der Brust, wo zuvor Pfeile und Messer gesteckt hatten, da sah der Junge auf die neue Bibel und hoffte, dass die
Weitere Kostenlose Bücher