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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Reihe noch nicht an ihm war.
    Er ging zu dem Tisch neben der Pritsche und berührte mit den Fingern die Buchstaben, die Prediger Smith in den Einband geprägt hatte. DIE BIBEL DER BLACK HILLS . Darunter hatte er eine Skizze der Hills eingraviert. Über den Bergspitzen schwebte ein Engel mit Schlangenkopf und Heiligenschein.
    Es war eine vollkommene Schlange – detailliert bis zu den Vertiefungen unter den Augen – und ein unvollkommener Engel. Die Engel-Schlange war die erste Zeichnung, die Prediger Smith angefertigt hatte, und der Junge hatte die Genauigkeit des Schlangenkopfes gelobt.
    »Das ist so, weil ich eine Schlange gesehen habe«, hatte der Prediger gesagt. Und der Junge starrte ihn an diesem Abend noch sehr lange an, noch nachdem der Prediger schlafen gegangen war, denn er glaubte nun, jeder Geistliche habe Engel gesehen.
    Mit den Fingerspitzen fuhr er über die Konturen des Schlangenkopfs, den der Prediger in die Bibel graviert hatte. Dann schlug der Junge das Buch auf, bevor er sich über die Folgen Gedanken machen konnte, und las die erste Seite.
    DAS BUCH HIRAM
    Am Anfang waren die Berge und Gott, der zwei Seiten besitzt. Durch diese Gegenden streifte Seine böse Seite, während Seine gute Seite an Orten verweilte, die flacher waren und leichter zu sehen. Wie Kansas. Und während Er Licht und Dunkelheit schuf, und das Meer und das Land, und Mann und Frau, schuf Seine böse Seite die Indianer und verbarg Gold in der Erde. Und Gott wusste nicht, dass Seine böse Seite dies tat, aber Er träumte es des Nachts. Nur konnte Er sich Seiner Träume nicht erinnern, wenn Er aufwachte. Und Gott hatte Angst, denn Er wusste nicht um Seine böse Seite. Aber Er wusste nicht, wie mächtig sie war
.
    Der Junge klappte das Buch zu und legte es auf den Tisch zurück. Er starrte auf den Schlangenkopf und sah den Leichnam von Prediger Smith aufgebahrt im Hinterzimmer des Friseurladens – nackt, bleich und zerschunden. Und er sah, dass der Prediger recht hatte. Er sah, was die böse Seite des Herrn angerichtet hatte.
    Mit einem Mal hatte er Angst und setzte sich auf die Pritsche. Er wusste, noch bevor sich der Gedanke in seinem Kopf festsetzte, dass er dazu bestimmt war, das Werk des Predigers zu vollenden. Nicht damit er die Bibel der Black Hills zu Ende brachte – der Junge konnte kaum schreiben –, sondern damit er die böse Seite des Herrn fand, die Seite, welche der Prediger in seinen Träumen vernommen hatte.
    Er wusste nicht, wo das Schlachtfeld sein würde, aber es interessierte ihn nicht, nachdem er nun seine Bestimmung gefunden hatte. Er legte sich auf der Pritsche des Predigers nieder und fand, dass sie ihm genügend Platz bot. Er schloss die Augen und wartete. Es war eine Zeit der Veränderung zwischen Gut und Böse, und er war auserwählt worden. Nun wartete er darauf zu sehen, wozu.
    Wieder sah er den Prediger vor sich, aufgebahrt auf dem Tisch im Hinterzimmer des Friseurladens. Einer seiner Arme hing fast bis auf den Boden herunter. Der Junge rührte sich auf der Pritsche, versuchte das Bild zu verscheuchen. Und dann kam nach kurzer Zeit ein an deres.
    Und dieses Bild war die böse Seite des Herrn. Es hatte einen Bart und einen harten Pimmel, und sie kam, um ihn zu holen. Als er die Augen wieder öffnete, war es dunkel im Zimmer. Er hatte wieder Angst, und er spürte, dass ihm der Schweiß auf Stirn und Brust stand. Die Angst war ihm bis in die Finger und Fußspitzen gefahren.
    Er lag auf der Pritsche und lauschte den Geräuschen der Nacht. Er erinnerte sich, dass auch der Prediger im Schlaf Dinge gesehen und Angst vor ihnen gehabt hatte.
    Der Junge versuchte sich zu erinnern, wie die böse Seite des Herrn ausgesehen hatte, doch es fiel ihm nicht ein. Er konnte sich nicht erinnern, was sie getan hatte, aber er zitterte noch immer vor ihr. Den Rest der Nacht lag er mit offenen Augen da und hatte Angst, zu seinen Träumen zurückzukehren.
    In der nächsten Nacht schlief er wieder auf dem Boden, denn dorthin folgten ihm die Träume nicht.
    Von nun an hielt er sich von der Pritsche des Predigers fern.
    Morgens stand er auf, sobald sich im Norden der Himmel rosa färbte, und machte ein Feuer. Er aß das Essen des Predigers und brachte dann sein Haus in Ordnung. Danach ging er, in die schwarze Jacke des Predigers gekleidet, den steilen Berg hinunter nach Deadwood. Dort streifte er durch die Straßen und wartete darauf, der bösen Seite des Herrn gegenüberzutreten. Obwohl er wusste, dass er noch nicht bereit

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