Deadwood - Dexter, P: Deadwood
unterschiedlichen Ecken. Das macht es schwieriger. Ich kann nicht wie ein Papierkragen den Rest meines Lebens in St. Louis verbringen, aber hierher kann ich sie auch nicht holen. Sie ist einen solchen Ort nicht gewöhnt.«
Auf der Straße bat der Methodist Gott um Schutz. Bill und Charley hörten ihm eine Weile zu. Der Brief an Agnes war immer noch in Bills Hand.
»Wusstest du, dass der Prediger auch seine Frau zurückgelassen hat?« fragte Bill. »Jack Crawford hat es mir erzählt. Er ist hierher gekommen, um Gold zu finden, und hat seine Frau und vier Kinder in den Staaten zurückgelassen. Schickt ihnen jeden Cent, den er in der Sägemühle verdient, und lebt von dem, was er kriegt, wenn er auf dieser Kiste steht.«
»Ein Kirchenmann, der arbeitet?« Charley schaute sich den Methodisten genauer an und sah, dass er jetzt mit geschlossenen Augen predigte. Und Charley dankte dem Herrn für viele Dinge, unter anderem dafür, dass er ihn nicht in den geistlichen Stand berufen hatte.
Boone May schlug sich selbst wach. Er hätte den ganzen Morgen schlafen können, auch bei dem Schnarchen, aber Jane Cannary hatte sich im Schlaf umgedreht und lag jetzt mit ihrem Mund neben seinem Ohr. Durch ihren Atem fühlte es sich an, als hätte Boone Insekten im Ohr. Deswegen holte er aus und schlug sich auf den Kopf. Er machte eine hohle Hand, erwischte sein Ohr und spürte ein leeres, dumpfes Gefühl, begleitet von einem explosionsartigen Geräusch, das so laut war, dass man davon taub werden konnte.
Er öffnete die Augen und sah Wände aus Kattun. Die Hälfte der Zelte in der Stadt hatte diese Stoffwände. Es war das einzige Material, das man bei Farnum’s bekam, bis die neue Lieferung eintraf. Das Zelt war offen und er schaute auf die Straße, wobei er darüber nachdachte, wie einfach man über Nacht ausgeraubt werden konnte.
Bei diesem Gedanken setzte er sich auf und begann, nach Frank Towels’ Kopf zu suchen. Seine Waffen und seine Hosen lagen neben ihm auf dem Boden, aber der Beutel war fort. Er zog seine Unterwäsche an und kroch unter der Bettdecke hervor. Er hob Janes Hosen hoch, ihr Hemd und ihre Stiefel und warf dann alles nach draußen vor das Zelt. Nichts.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als Jane die Decke wegzuziehen und auch darunter nachzusehen. Ihre Haut war bleich, voller blauer Flecken und alt. Sie war kräftig gebaut, aber fett. Dazu dürre Beine, weiche Arme und überhaupt keinen Busen. Er hatte noch nie eine Frau gesehen, die an so vielen verschiedenen Stellen schwarze und blaue Flecken hatte. Es sah so aus, als hätte man sie den ganzen Weg von Chicago bis hierher geschleift. Dabei war sie im besten Alter, besser ging’s nicht.
»Was immer du im Sinn hast«, sagte sie, »vergiss es.«
Erst jetzt betrachtete er ihr Gesicht, das Gesicht eines Mannes. Kein Mann, den man kennenlernen wollte. Matte Augen, schmale Lippen und eine Nase wie die von Big Nose George. Boone steckte seinen Kopf aus dem Zelt, um ein paar Atemzüge frische Luft zu schnappen.
»Es würde nicht schaden«, sagte er, als er sich ihr wieder zuwandte, »wenn du ab und zu ein Badehaus besuchen würdest.«
»Ich hab schon einmal ein Bad genommen«, antwortete sie und zog die Decke wieder über sich, »dabei wurde ein Pimmel aus Cheyenne hochgeschwemmt.« Boone spürte, wie ihm schlecht wurde.
»Wo ist Frank Towles’ Kopf?« fragte er. »Du bist die Einzige, die ihn genommen haben könnte.«
»Der Rammler war ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt«, sagte sie »und sah für eine Rothaut nicht schlecht aus. Er wollte unbedingt mit Calamity Jane ein Kind machen, aber ich habe in letzter Minute meine Meinung geändert. Scheiße, eine Lady wird ja wohl ihre Meinung ändern dürfen.« Die Indianergeschichte erzählte Jane am nächsten Morgen immer den hässlichen Männern und den jungen Burschen, damit sie sich nicht in sie verliebten.
Boone ging hinaus und gab von sich, was er noch in sich gehabt hatte. Das meiste war rosa, von den Gin and Bitters.
»Also, was immer du heute Morgen im Sinn hast«, sagte sie von drinnen im Zelt, »denk an den Indianer. Es ist Sonntagmorgen, und den habe ich für den lieben Gott reserviert.«
Als er sich wieder besser fühlte, suchte Boone weiter, diesmal ohne etwas zu bewegen. Manchmal fand man die Dinge eher, wenn man nicht so sehr danach suchte. Und da war er. Jane setzte sich auf und spuckte aus, und der Beutel lag dort, wo ihr Kopf gewesen war. Sie hatte Frank als Kopfkissen benutzt. Er hob ihn auf,
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