Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
viel, wenn er in ihrer Gesellschaft war, wie ein Kind unter älteren Kindern, und trank jedes Gebräu, das gerade in Mode war. Und er spielte ihre Kartenspiele.
    Nur unter seinen eigenen Leuten war Tan You-chau gefürchtet. Sie hatte die beiden Gesichter Tans gesehen und wusste, dass er innerlich leer war. Sie musste ihn nicht töten und hatte auch kein Bedürfnis danach. Sein ganzes Leben würde die Rache ihres Bruders sein.
    »Soll ich mich anziehen?« fragte sie. »Oder darf ich mich vorher waschen?«
    »Habe ich dich schmutzig gemacht?«
    »Ja.«
    Einen langen Moment stand er über ihr, und sie dachte, er würde sie wieder missbrauchen. »Du bist für mich nicht mehr von Nutzen«, sagte er schließlich. »Heute Abend, nachdem du gesungen hast, werde ich dich an die Goldgräber verkaufen. Du stehst nicht mehr unter meinem Schutz.«
    »Dann sollte ich mich waschen«, sagte sie. »Ich möchte ja nicht, dass sich deine neuen Freunde beschmutzen und schlecht über deine Gastfreundschaft denken.«
    Sie wusch den Speichel von ihren Brüsten und säuberte sich dann von innen. Sie wählte ein neues Gewand aus einem Koffer unter ihrem Bett und zog sich an. Kein einziges Mal schaute sie dabei in seine Richtung. »Vielleicht wirst du ebenfalls die Kleidung der Langnasen tragen«, sagte er.
    Sie behielt ihre Meinung für sich, prüfte den Sitz der Kämme in ihren Haaren und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Ihr Make-up hatte er nicht ruiniert, und auf etwas anderes achtete sie jetzt nicht mehr, wenn sie in den Spiegel sah. Sie hatte jedes Gespür für ihre eigene Schönheit verloren und wusste, dass es nie wiederkehren würde. Dieses Gespür war eine Gabe, wie die Schönheit selbst, und das eine war ohne das andere nutzlos.
    Er wartete, bis sie vor dem Spiegel fertig war, und richtete sich dann auf. Er öffnete die Tür, und der Lärm aus dem Theater klang mit einem Mal ganz nah, so als hätte er unmittelbar hinter der Tür gelauert. Am Kopfende der Treppe konnte sie die weißen Männer riechen, ein Geruch, der sie an die toten Tiere denken ließ, die sie aßen.
    Aber sie hatte keine Angst, den Kuhfressern beizuwohnen. Sie hatte die Tür des Ofens geöffnet und Song gefunden, und nichts in diesem Leben würde ihr je wieder Übelkeit bereiten. Auch das war fort.
    Mit gesenktem Kopf folgte sie Tan die Treppe hinunter. Sie hörte, wie sich der Lärm im Theater änderte, als sie sie sahen. Für die weißen Männer war sie so schön wie für wahre Menschen, aber die Langnasen wussten nicht, dass Stille Ausdruck genug war. Sie pfiffen und jaulten wie wilde Hunde und jagten Schüsse in den Fußboden.
    Sie hielt ihren Kopf gesenkt.
    Sie folgte Tan zur Bühne und wartete, während er sie dem Publikum ankündigte. Er tat dies zweimal, einmal in der Sprache der Langnasen, die über die Unbeholfenheit seiner Worte lachten. Tan lachte mit ihnen. Er hatte zwei Gesichter und war innerlich leer.
    Als er fertig war, trat sie an die Stelle, wo er gestanden hatte, und begann zu singen. Tans blinder Onkel begleitete sie. Er war gefangen worden, als er das erste Mal versucht hatte, Guangdong zu verlassen. Man hatte ihm mit Säure das Augenlicht genommen. Das waren die Risiken, wenn man China verlassen wollte.
    Der Onkel spielte das Instrument der Langnasen, das Klavier, und nicht sein eigenes. Seines war kein Instrument, das sich zur Begleitung von Sängern eignete. Sie blickte in das Theater – die eine Hälfte waren weiße, die anderen wahre Menschen – und sang das Lied ihrer Mutter, über eine junge Frau, die ihren Verlobten im Krieg verloren hatte. Es war ein sentimentales Lied – Tan hatte solche Melodien erst nach Mitternacht erlaubt, wenn die weißen Männer bereits viele Stunden getrunken hatten –, aber sie ignorierte seine bohrenden Blicke und sang die Worte, die sie in Erinnerung hatte.
    Er ist nicht da heut Abend
.
    Ich bin tapfer in der Nacht,
    hab jedoch Angst vor dem Morgen,
    wenn ich sehe, dass er fort ist
.
    Der blinde Mann folgte ihr auf dem Klavier, war sich jedoch der Noten nicht sicher. Die wahren Menschen neigten ihre Köpfe, vielleicht um sich diesen Moment einzuprägen oder weil sie versuchten, sich an etwas aus jener Zeit zu erinnern, bevor sie an diesen Ort gekommen waren. Es gab nichts Schönes, das in der Rückschau nicht noch herrlicher war. Es war die Aufgabe von Reispuder und Rouge, andere Zeiten heraufzubeschwören.
    Nur die Langnasen blieben ungerührt von ihrem Gesang. Manche von ihnen sprachen während

Weitere Kostenlose Bücher