Death de LYX - Denn entkommen wirst du nicht (German Edition)
seitlich ausgestreckt, eine behandschuhte Hand lag im Wasser, die andere an Land. Das Gesicht der Frau war dem Fluss zugewandt, und das lange, braune Haar fiel ihr wie ein dunkler Vorhang über die Wange. Kleine Wellen schwappten gegen ihren Körper.
Jacob ging auf die Leiche zu, blieb aber in drei Meter Entfernung stehen. Er wollte den Tatort nicht unnötig verändern, bevor das Team der Spurensicherung eintraf. Er stieß einen tiefen Seufzer aus, der in der eisigen Luft gefror. »Wissen wir, wer sie ist?«
Zack schüttelte den Kopf. »Bisher nicht. In keiner ihrer Taschen war ein Ausweis. Und eine Handtasche haben wir auch nicht gefunden.«
Jacob ging in die Hocke. Er schaute in ihr Gesicht, das größtenteils von dem dichten braunen Haar verdeckt wurde. Wie kam eine sorgfältig gekleidete Angehörige der Mittelschicht hierher? »Flussabwärts gibt es ein paar Brücken und jede Menge Docks. Selbstmord?«
Zack machte ein finsteres Gesicht. »Das dachte der erste Beamte vor Ort auch.«
Jacob runzelte die Stirn. »Und?«
»Als er ankam, hat er ihren Puls gefühlt, dazu musste er die Haare zur Seite schieben.« Zack spannte seine Kiefermuskulatur an. »Um ihren Hals sind dunkle Abdrücke.«
»Erwürgt.«
»Er hat auch an den Handgelenken Male gefunden. Sehen aus wie Scheuerwunden von einem Seil.«
Jacobs Blick wanderte zum Saum ihres Mantelärmels. Gerne hätte er den nassen Stoff hochgeschoben, um die Scheuermale selbst zu sehen, doch er würde auf die Spurensicherung warten. »Hat der Beamte die Tote sonst irgendwo angefasst?«
»Nein. Nur am Hals und am Handgelenk, um den Puls zu fühlen.«
Die Spurensicherung brauchte eine genaue Aufstellung über jeden, der die Leiche berührt hatte. »Gut.«
Jacob betrachtete das Handgelenk des Opfers. »Wer auch immer das getan hat, hat sie gefangen gehalten, bevor er sie getötet hat.«
»Das denke ich auch.«
Das Opfer war vollständig bekleidet, bis hin zu Schal und Handschuhen. Dennoch konnte es sein, dass sie ausgezogen und vergewaltigt worden war. Es kam öfters vor, dass Mörder, besonders beim ersten Mal, dem Opfer gegenüber Reue empfanden. Der Täter könnte versucht haben, ihre Würde zu wahren, indem er sie wieder anzog. »Wir müssen sichergehen, dass der Pathologe sie auf Vergewaltigung hin untersucht.«
»Ist schon veranlasst.«
Jacob beugte und streckte die rechte Hand, um die Steifheit daraus zu vertreiben. Eingehend musterte er das, was vom Gesicht des Opfers zu sehen war. Es würde schwierig werden, den Todeszeitpunkt genau zu bestimmen. Die Kälte hatte zweifellos den Verwesungsprozess verlangsamt. »Gibt es irgendwelche Vermisstenmeldungen?«
Ein kalter Windstoß ließ Zack den Kopf einziehen. »Ich habe vor einer Viertelstunde angerufen. Es ist niemand als vermisst gemeldet, auf den ihre Beschreibung passt, aber vielleicht ändert sich das noch.«
Es gab hundert mögliche Gründe dafür, dass keine Vermisstenmeldung eingegangen war. Vielleicht war das Opfer verreist gewesen. Vielleicht hatte sie sich mit ihrem Mann gestritten, oder sie hatte allein gelebt und nur wenige Freunde gehabt. Doch früher oder später wurden die meisten Menschen von irgendjemandem vermisst.
Flussaufwärts waren keinerlei Docks, Boote oder Anlegestellen zu sehen, von wo aus man sie hätte ins Wasser werfen können. »Sie ist klitschnass, aber ihre Haut ist nicht verfärbt, wie sie es nach einem Aufenthalt im Wasser wäre. Und wenn sie im Fluss gelegen hätte, müssten Algen oder Gras an ihr haften.«
»Der eiskalte Regen von gestern hätte jeden bis auf die Haut durchnässt.«
Jacob konnte sich so einige Möglichkeiten vorstellen, wieso eine Frau aus der Mittelschicht auf diese Weise endete: heimliche Drogensucht, häusliche Gewalt … zum jetzigen Zeitpunkt konnte man nur raten.
Er starrte auf ihre Leiche. »Warum sie hier deponieren?« Zack kritzelte etwas in seinen Notizblock. »Vielleicht hat der Täter geglaubt, man würde sie eine ganze Weile nicht finden.«
»Oder er hat im Gegenteil gedacht, man würde sie rasch finden. Hier treiben sich seit Wochen überall die Leute von der Baufirma herum.«
»Das würde eine Reihe neuer Fragen aufwerfen.«
Die meisten Mörder wollten ihre Tat vertuschen. Falls die Frau bewusst hier abgelegt worden war, traf Zacks Vermutung zu. Dann hatten sie es mit einer viel schlimmeren Geschichte zu tun.
Motorengeräusch ertönte, und die beiden schauten den Hang hinauf. Der Wagen der Spurensicherung war da. Auf dem Fahrzeug
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