Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Angriff abgelaufen?«
Sie schluckte. »Wie gesagt, er muss im Stall auf mich gewartet haben, bis ich möglichst weit vom Tor zur Koppel entfernt war. Ich hatte alle Pferde bis auf eins hinausgelassen, aber mit dem letzten gab es Probleme. Eine Stute, Molly. Sie war völlig außer sich vor Angst und kam nicht aus der Box. Ich musste sie am Halfter packen und mit Gewalt herauszerren. Dabei ist sie gestiegen und hat mich mit dem Huf getroffen …« Shannon streckte die Hand nach dem Wasserglas aus. Rossi reichte es ihr.
Shannon räusperte sich und berichtete weiter, woran sie sich erinnerte. Janowitz stellte zwischendurch Fragen und kritzelte in ihren kleinen Spiralblock, währen Rossi zuhörte, ohne sie zu unterbrechen.
Nein, Shannon hatte keine fremden Fahrzeuge auf dem Grundstück gesehen.
Nein, sie hatte in letzter Zeit niemanden in der Nähe ihres Hauses bemerkt, der dort nichts zu suchen hatte.
Ja, manchmal hatte sie tatsächlich das Gefühl, verfolgt oder beobachtet zu werden. Sie konnte es sich selbst nicht erklären.
Nein, sie hatte keine Ahnung, wer das angesengte Stück von der Geburtsurkunde ihrer Tochter auf die Veranda gebracht oder um genau 0:07 Uhr an deren dreizehntem Geburtstag angerufen hatte, aber, ja, sie glaubte, dass ein Zusammenhang zwischen all diesen Vorfällen und dem Brand bestand.
Shannon war plötzlich furchtbar müde. Sie gähnte, was einen stechenden Schmerz in ihren Rippen verursachte. Ihre Konzentration ließ nach, sie wollte nicht mehr an den Brand denken.
Doch Janowitz war noch nicht fertig. »Da war ein Mann auf dem Gelände, ein Fremder. Sie sind ihm begegnet, als der Brand ausbrach.«
»Mhm.« Shannon dachte an den Mann, der plötzlich aus dem Schatten aufgetaucht war und den sie losgeschickt hatte, damit er die Hunde aus den Zwingern ließ. Sie hatte ihn im schwachen Licht nur undeutlich erkennen können: ein großer, athletisch gebauter Mann mit scharfen Zügen. »Ich weiß seinen Namen nicht.«
Janowitz blätterte in ihren Notizen, doch Shannon vermutete, dass sie gar nicht nachzusehen brauchte. Die Polizistin wirkte hochkonzentriert und hatte bestimmt ein verdammt gutes Gedächtnis. »Travis Settler.«
Der Name sagte ihr nichts. »Settler?«
»Sie kennen ihn also nicht?«
Shannon schüttelte den Kopf. »Nein. Aber …« Ihr fiel ein, dass sie einen Moment lang das Gefühl gehabt hatte, ihn schon einmal gesehen zu haben. Sie wollte das eigentlich gar nicht erwähnen, es schien so verrückt, woher sollte sie ihn kennen? Doch die Polizistin sah sie erwartungsvoll an, und so sprach sie weiter. »Na ja, als ich ihn in dieser Nacht gesehen habe, da … da hatte ich … so ein komisches Gefühl, als ob ich ihm schon mal begegnet wäre. So eine Art Déjà-vu. Aber das war wohl nur Einbildung.«
»Er stammt aus Falls Crossing.«
Shannon zuckte mit den Schultern. »Wo ist das?«
»In Oregon. Nahe der Grenze zu Washington.«
»Nie gehört.«
»Der Ort ist nicht gerade berühmt.« Der Anflug eines Lächelns umspielte Janowitz’ Mund. Sieh an, die knallharte Polizistin hatte einen Sinn für Humor.
»Und der Name Travis Settler sagt Ihnen auch nichts?«
»Nein, ich kenne niemanden, der so heißt.« Shannon drehte vorsichtig den Kopf und blickte zum Fenster hinaus. Kam ihr der Name bekannt vor? Ihr fiel nichts dazu ein. »Müsste ich ihn kennen?«, fragte sie und wandte sich wieder der Polizistin zu. Sie bemerkte einen Anflug von Skepsis in Janowitz’ Blick, als wüsste sie mehr, als sie preisgab. Auch ihr Kollege, Rossi, sah Shannon sehr ernst an.
»Moment mal.« Shannons Puls ging schneller. »Was ist los? Wer ist dieser Settler?«
Janowitz überging die Frage. »Glauben Sie, dass es Travis Settler war, der Sie überfallen hat?«
»Nein … Ich …« Aber konnte sie es wissen? Sie hatte angenommen, er sei zu den Hunden gegangen, aber womöglich hatte er auch nur zum Schein die Richtung eingeschlagen und war unbemerkt zurückgekehrt. »Nein, ich glaube nicht, dass er es war. Warum sollte er so etwas tun?«
»Was glauben Sie denn, wer es war?«
»Keine Ahnung. Es war dunkel. Ich war verletzt; die Stute hatte mich mit dem Huf getroffen.«
»Schildern Sie uns den Ablauf noch einmal ganz genau«, verlangte Janowitz, deren scharfem Blick nichts entging. Plötzlich fühlte Shannon sich sehr verletzlich. Diese Polizisten wussten entschieden mehr über den Vorfall als sie selbst, und sie benahmen sich, als hätte sie etwas zu verbergen.
»Also, ich sah das Feuer«,
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