Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
aber neulich abends hatte er auffallend zufrieden gewirkt. Und Dani hatte Blutflecken auf seinem Hemd bemerkt.
Wieder musste sie an den Müllsack denken, den er in der Garage in Idaho zurückgelassen hatte. Was steckte darin? Wessen Leiche hatte er dort auf der verlassenen Farm versteckt?
Nur nicht dran denken! Dani zwang sich aufzustehen, kroch in den engen, stickigen Schrank und gab sich Mühe, nicht auf das Scharren und Nagen der Ratten unter den Bodendielen zu hören. Wieder zog sie ihre Socken aus, die inzwischen angefangen hatten zu stinken, und legte sie doppelt, um ihre Finger zu schützen. Dann machte sie sich an die Arbeit.
Während sie an dem Nagel zog und rüttelte, lief ihr der Schweiß übers Gesicht und tropfte von ihrer Nase. Ihre Finger schmerzten und verkrampften sich bereits nach wenigen Augenblicken, doch Dani gab nicht auf. Sie war so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie das Motorengeräusch beinahe überhörte.
Dani erstarrte.
Er war zurück?
Jetzt schon?
Der Motor verstummte.
Vielleicht war es jemand anders.
Rettung?
Hastig schlüpfte sie aus dem Schrank und zog ihre Socken wieder an. Sie war schweißüberströmt.
Draußen auf dem Kies knirschten Schritte.
Mist!
Dani drehte sich um. Dabei stieß sie mit dem Kopf an und konnte nur mühsam einen Aufschrei unterdrücken.
Die äußere Tür wurde geräuschvoll geöffnet.
Hastig kroch sie auf ihre Pritsche.
Schon hörte sie den Riegel an ihrer Tür scharren.
Sie schloss die Augen.
Die Tür wurde aufgestoßen, und der Strahl einer Taschenlampe huschte durch die Kammer.
Danis Herz hämmerte, ihre Nerven waren gespannt wie die Saiten von Mrs. Johnsons altem Klavier.
»Was machst du?«, knurrte er. Sie rührte sich nicht, stellte sich schlafend.
»Ich habe gefragt, was du machst!« Er durchquerte die Kammer und trat gegen das Gestell der Pritsche.
Dani fuhr zusammen. Es war zwecklos, weiter so zu tun, als hätte sie geschlafen. Er hatte sie ohnehin durchschaut. »Ich musste mal.«
Er richtete die Taschenlampe auf die leere Camping-Toilette neben dem Bett. »Sieht aber nicht so aus.«
»Ich war gerade aufgestanden, da habe ich Sie kommen gehört, und ich wollte nicht, dass Sie reinkommen, wenn ich gerade … auf dem Topf hocke.«
Er schnaubte verächtlich.
Dani konnte ihn nicht sehen, es war zu dunkel. Im nächsten Moment leuchtete er ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht, so dass sie völlig geblendet wurde.
Er ließ den Lichtstrahl durch den Raum wandern, über die Pritsche, die Camping-Toilette und die vernagelten Fenster bis hinauf zur Dachluke, und vergewisserte sich, dass alles unverändert war. Schließlich leuchtete er den Schrank an.
Dani wäre am liebsten in einem Mauseloch verschwunden. Hatte sie womöglich irgendwelche Spuren hinterlassen? Was, wenn er den vorstehenden Nagel bemerkte?
Ihr Herz schlug so heftig, dass sie glaubte, er müsse es hören. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihn ablenken könnte. Schließlich sagte sie das Erste, was ihr in den Sinn kam. »Ich habe Durst.«
»Was?« Wieder richtete er die Taschenlampe auf ihr Gesicht. Sie hob schützend eine Hand.
»Ich habe Durst.«
»Pech. Da wirst du bis morgen früh warten müssen.«
»Aber …«
»Ich sagte: Vergiss es. Himmel, du kannst vielleicht lästig sein.« Damit verließ er die Kammer. Sekundenlang sah Dani seine Silhouette vor der Glut des Feuers abgezeichnet. Außer der Taschenlampe hatte er noch etwas in der Hand, etwas Kleines, Eckiges … Kurz bevor er es in die Tasche schob, erkannte sie ein Handy.
Lieber Gott, wenn sie es nur irgendwie in die Finger bekommen könnte!
Hatte man in diesen Bergen überhaupt Empfang?
Warum trug er jetzt plötzlich ein Handy bei sich?
Woher hatte er es?
Von zu Hause, Dummkopf. Er wohnt irgendwo hier in der Nähe. Vergiss nicht, er hat noch ein zweites Leben. Wenn du das Handy an dich bringen könntest, würdest du vielleicht erfahren, wer der Dreckskerl ist. Und könntest Hilfe rufen!
Für einen Moment flackerte Hoffnung auf, erlosch aber sogleich.
Er schloss die Tür, vergewisserte sich, dass sie sicher verriegelt war, und ging wieder.
Niedergeschlagen ließ Dani sich auf ihre Pritsche sinken.
14.Kapitel
K ommen Sie morgen zu mir, dann überlegen wir, wie wir vorgehen wollen. Shannons Angebot ließ Travis keine Ruhe, während er sich an die Arbeit machte. Konnte er ihr trauen?
Er wusste es nicht.
Aber hatte er überhaupt eine andere Wahl?
Wohl kaum.
Er warf einen Blick auf die Uhr
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