Deathkiss - Suess schmeckt die Rache

aber er hatte die Zeitungsartikel und sonstigen Dokumente eingescannt, und den USB-Stick, auf dem er seine Computerdaten sicherte, hatten sie nicht gefunden. Vorhin hatte er ein neues Notebook gekauft, und noch bevor Shannon Flannery so überraschend vor seiner Tür stand, hatte er bereits die Daten vom Stick auf die Festplatte übertragen.
    Die angesengte Geburtsurkunde auf Shannons Veranda, der Brand auf ihrem Gelände … Und ihr Mann war damals bei einem Waldbrand ums Leben gekommen, der offenbar vorsätzlich gelegt worden war. Jemand hatte also gewollt, dass Ryan Carlyle starb und seine Leiche verbrannte. Vielleicht, um Beweise für den Mord zu vernichten, aber vielleicht steckte auch noch mehr dahinter.
    Feuer, kam es ihm in den Sinn. All diese Vorfälle hatten etwas mit Feuer zu tun.
    Und dem Tod von Ryan Carlyle war eine ganze Reihe von Brandstiftungen vorangegangen. Damals hatte man von einem ›unsichtbaren Feuerteufel‹ gesprochen, und als die Serie gleichzeitig mit dem Tod von Shannon Flannerys Mann abriss, war der Verdacht aufgekommen, er sei dieser Feuerteufel gewesen.
    In einer Zeitspanne von zwei Jahren waren sieben Gebäude in Flammen aufgegangen. Wie durch ein Wunder gab es dabei nur ein Todesopfer: eine Frau namens Dolores Galvez, die sich in einem leerstehenden Restaurant aufhielt, niemand wusste, warum.
    Kein einziger Feuerwehrmann war bei der Bekämpfung der Brände auch nur verletzt worden, das Feuer hatte auf kein angrenzendes Gebäude übergegriffen. Zwar war der Verdacht aufgekommen, dass die Gebäude, sämtlich leerstehend, womöglich wegen der Versicherung in Brand gesetzt worden waren, doch das blieb reine Spekulation. Es gab keinerlei Zusammenhang zwischen dem Lager, dem Restaurant, zwei alten Mietshäusern, zwei Einfamilienhäusern und einer leerstehenden Privatschule. Sofern der ›unsichtbare Feuerteufel‹ nicht im Auftrag der jeweiligen Eigentümer arbeitete, war die Versicherungstheorie nicht haltbar. Dass es sich in allen Fällen um ein und denselben Täter handelte, galt als gewiss – sämtliche Brände waren mit demselben ferngesteuerten Gerät entfacht worden.
    Mit Ryan Carlyles Tod hörte die Brandserie also auf, aber es wurde nie bewiesen, dass er der Brandstifter gewesen war.
    Zufall?
    Travis glaubte es nicht.
    Was wusste Shannon über die damaligen Brände?
    Bestand eine Verbindung zu den jüngsten Ereignissen? Und wie war eigentlich der Brand im Schuppen ausgelöst worden? Travis erinnerte sich, eine Explosion gehört zu haben. War es möglich, dass der Brandstifter ebenfalls mit Fernsteuerung gearbeitet hatte?
    Travis massierte seinen verspannten Nacken und nahm sich noch ein Bier aus dem Minikühlschrank. Stirnrunzelnd verfolgte er seinen Gedanken weiter. Angenommen, Ryan Carlyle sei unschuldig gewesen – es wäre dennoch ziemlich abwegig zu glauben, der ›unsichtbare Feuerteufel‹ sei nach all den Jahren zurückgekehrt. Aber vielleicht gab es einen Nachahmer, jemanden, der Insiderinformationen über die ursprünglichen Taten besaß und die Verbrechen des ›unsichtbaren Feuerteufels‹ jetzt imitierte.
    Verdammt.
    Er trank einen Schluck und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Grübelte, ob er etwas übersah, etwas Wesentliches, einen Zusammenhang zwischen den Vorfällen vor drei Jahren und den jetzigen. Noch einmal las er seine Unterlagen durch, Wort für Wort, und konzentrierte sich diesmal auf Ryan Carlyles Persönlichkeit.
    Wenige Wochen nachdem Carlyle bei einem Waldbrand ums Leben kam, war einer von Shannons Brüdern, Neville, verschwunden. Die Flannerys behaupteten, sie hätten nie wieder von ihm gehört. Kurz darauf war Nevilles Zwillingsbruder Oliver psychisch völlig entgleist und wurde für ein paar Wochen in eine Klinik eingewiesen, ehe er zu Gott fand und beschloss, Geistlicher zu werden.
    Was könnten diese beiden Vorfälle – Nevilles Verschwinden und Olivers Nervenzusammenbruch – mit den Bränden zu tun haben und, was noch viel wichtiger war, mit Danis Entführung?
    Wer hatte das Mädchen in seiner Gewalt?
    Ein Kerl, der gestohlene Autokennzeichen benutzte, wahrscheinlich auch Blanche Johnson umgebracht hatte und in irgendeiner Verbindung mit Shannon stand.
    Travis’ Magen krampfte sich zusammen. Wieder musste er sich selbst ermahnen, sachlich zu bleiben, die Fakten zu sehen, zu denken wie ein Privatdetektiv, nicht wie ein verzweifelter Vater.
    Was wusste Shannon, was verschwieg sie ihm, sei es absichtlich oder nur, weil sie es für