Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Schulter versehentlich Gemma streifte, spürte ihre Wärme selbst durch sein Jackett hindurch.
Ihr Weg kreuzte die Straße, die parallel zum Fluß verlief, und schlängelte sich dann zwischen Häusern und verwilderten Büschen hindurch. Erst als sie aus einem eingezäunten Durchgang traten, sahen sie den Fluß. Bleiernes Wasser reflektierte den bleiernen Himmel, und direkt vor ihnen führte ein Betonweg im Zickzack über den Fluß.
»Sind wir hier auch wirklich richtig?« fragte Kincaid. »Ich kann nichts entdecken, was wie eine Schleuse aussieht.«
»Da drüben, hinter dieser Böschung dort, sind Boote zu sehen. Es muß da einen Kanal geben.«
»Gut. Dann gehen Sie voraus.« Mit einer galanten kleinen Verneigung ließ er ihr den Vortritt.
Einer nach dem anderen traten sie auf den Betonweg hinaus. Nebeneinander hätten sie nicht gehen können, ohne an das Metallgitter zu stoßen, das eine gewisse Sicherheit bot.
Auf halbem Weg erreichten sie das Wehr. Gemma blieb stehen, und Kincaid machte hinter ihr halt. Sie sah in die donnernden Wasserströme unterhalb des Wegs hinunter und fröstelte. »Manchmal vergessen wir die Macht des Wassers. Die friedliche alte Themse kann ganz schön wild sein, nicht?«
»Der Fluß hat Hochwasser vom vielen Regen«, sagte Kincaid, die Stimme über das Brausen erhebend. Er spürte die Vibrationen der Wasserkraft unter seinen Füßen. Mit beiden Händen umfaßte er das Metallgitter, dessen Kälte beinahe schmerzhaft war, und beugte sich hinüber, um ins stürzende Wasser zu sehen, bis ihm schwindlig zu werden begann. »Meine Güte, wenn man wirklich jemanden in den Fluß stoßen wollte, war das der richtige Platz dafür.« Als er sich aufrichtete und Gemma ansah, bemerkte er, daß sie fror. Ihr Gesicht wirkte ein wenig verkrampft, die Sommersprossen hoben sich dunkel von ihrer blassen Haut ab. Er legte ihr leicht eine Hand auf die Schulter. »Gehen wir weiter. Drüben, unter den Bäumen, ist es wärmer.«
Sie gingen schnell, die Köpfe gegen den Wind gesenkt, ganz bedacht darauf, den Schutz der Bäume zu erreichen. Der Weg führte noch etwa hundert Meter weiter, am Wehr vorbei, immer parallel zur Böschung, dann machte er eine plötzliche Biegung nach links und verschwand in den Bäumen.
Die Atempause war kurz, der Baumgürtel schmal, doch er gestattete ihnen zu verschnaufen, ehe sie wieder ins Freie hinaustraten und die Schleuse vor sich sahen. Den Zugang hatte die Polizei mit gelbem Plastikband gesperrt. Rechts von ihnen stand ein kompaktes kleines Haus aus rotem Backstein mit je einem Fenster symmetrisch zu beiden Seiten der Tür. Das Fenster, das ihnen am nächsten lag, war jedoch so üppig überwuchert von einer grünen Kletterpflanze, daß es aussah wie ein Auge unter buschiger Braue.
Als Kincaid mit einer Hand das Plastikband leicht anhob und darunter hindurchschlüpfen wollte, trat ein Mann aus der Tür des Hauses und rief sie an. »Sir, Sie dürfen da nicht weitergehen. Da hat die Polizei gesperrt.«
Kincaid richtete sich wieder auf. Während er wartete, musterte er den Mann, der auf sie zukam. Er war kurz und stämmig, mit grauem, kurzgeschorenem Haar, und hatte ein Polohemd an, das mit dem Emblem des Thames River Authority gekennzeichnet war. In einer Hand trug er einen dampfenden Becher.
»Wie hieß der Schleusenwärter gleich wieder?« flüsterte Kincaid Gemma zu.
Gemma schloß einen Moment die Augen. »Perry Smith, glaube ich.«
»Das wird er sein, wenn ich mich nicht täusche.« Er zog seinen Dienstausweis heraus und hielt ihn dem Mann hin, als dieser zu ihnen trat. »Sind Sie zufällig Perry Smith?«
Der Schleusenwärter nahm mit seiner freien Hand den Ausweis und studierte ihn argwöhnisch, dann musterte er Kincaid und Gemma, als hoffte er, sie wären Betrüger. Er nickte einmal kurz. »Ich hab der Polizei schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Das ist Sergeant James«, fuhr Kincaid im Plauderton fort, »und Sie sind genau der Mann, den wir suchen.«
»Das einzige, was mich interessiert, ist, daß hier an der Schleuse alles ordentlich läuft, Superintendent. Gestern mußte ich wegen der Polizei das Tor geschlossen lassen, während die hier mit ihren Pinzetten und ihren kleinen Plastikbeuteln rumgerannt sind. Eine Meile weit hat sich der Verkehr auf dem Fluß gestaut«, erklärte er mit wachsendem Unmut. »Lauter Trottel, sag ich Ihnen.«Er warf Gemma einen finsteren Blick zu und
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