Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Schriftstellerin werden, seit sie sechs Jahre alt war. Sie hat sich in der Schule immer große Mühe gegeben, und jetzt bereitet sie sich auf die Vorprüfungen für den Abschluß vor, die im Frühjahr abgehalten werden.«
Will beugte sich vor, und Gemma bemerkte beiläufig, daß der Tweed seines Jacketts an den Ellbogen fast durch war. »Geht sie auf die Gesamtschule hier im Ort?« fragte er.
»O nein«, antwortete Claire Gilbert rasch, schien dann jedoch einen Moment zu zögern. »Sie geht auf die Duke of York Schule, das ist ein Internat, das sie als externe Schülerin besucht. Ich muß heute noch irgendwann den Direktor anrufen und ihm erklären, was passiert ist.« Bei dem Gedanken schien tiefe Erschöpfung sie zu erfassen. Ihre Lippen zitterten, und flüchtig drückte sie eine Hand auf ihren Mund. »Ich bilde mir ein, ich schaffe das alles ganz gut, bis ich irgend jemandem Bescheid sagen muß. Dann ...«
»Gibt es denn niemanden, der diese Anrufe für Sie erledigen kann?« fragte Gemma.
»Nein.« Claire Gilbert straffte die Schultern. »Lucy will ich das nicht aufbürden. Die Situation ist für sie auch so schwierig genug. Und sonst gibt es niemanden. Alastair und ich waren beide Einzelkinder. Meine Eltern sind tot, und der Vater meines Mannes ebenfalls. Bei seiner Mutter war ich schon, ich bin gleich heute morgen hingefahren. Sie ist in einem Pflegeheim in der Nähe von Dorking.«
Gemma war voller Teilnahme. Es war sicher nicht leicht gewesen, einer alten Frau sagen zu müssen, daß ihr einziger Sohn ermordet worden war, und doch hatte Claire Gilbert sofort das Notwendige getan, und ganz allein. »Das tut mir leid. Das muß sehr schwer gewesen sein für Sie.«
Claire Gilbert starrte wieder zum Fenster hinaus. Im Widerschein des Lichts zogen sich ihre Pupillen zu kleinen Punkten zusammen, und die Iris ihrer Augen bekam einen goldenen Glanz wie die einer Katze. »Sie ist fünfundachtzig und körperlich schon recht gebrechlich, aber geistig ist sie hellwach. Mein Mann war immer sehr gut zu ihr.«
In der Stille, die folgte, hörten sie Lewis blaffen, kurz und freudig, und danach erscholl ein freundlich gutmütiger Zuruf von Kincaid. Claire Gilbert fuhr ein wenig zusammen. »Entschuldigen Sie«, sagte sie, den Blick wieder auf Gemma und Will richtend. »Wo waren wir?«
»Vielleicht könnten Sie uns noch einmal erzählen, wie Sie den gestrigen Nachmittag und Abend verbracht haben«, meinte Gemma und schraubte ihren Füller auf. Sie wartete, doch Claire Gilbert schien verwirrt.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie wieder. »Ich verstehe Sie nicht ganz.«
»Sie sagten, Sie und Lucy seien beim Einkaufen gewesen«, erinnerte Gemma. »Wo genau waren Sie da?«
»Aber was spielt denn das ...« Claire Gilberts Protest erstarb, als sie Will ansah.
Er schüttelte leicht den Kopf. »Woher sollen wir in diesem Stadium wissen, was wichtig ist und was nicht? Eine Kleinigkeit, irgend etwas, das jemand gesagt hat, irgend etwas, was Sie gesehen haben, könnte das Verbindungsglied sein, das alles zusammenhält. Haben Sie also bitte Geduld mit uns.«
Nach einem kurzen Schweigen sagte Claire Gilbert: »Na schön, ich will es versuchen.« Sie lehnte sich im Sofa zurück. »Wir sind ungefähr um halb fünf zu Hause weggegangen und nach Guildford gefahren. Lucy ist gefahren - sie hat erst seit ein paar Monaten den Führerschein und möchte natürlich jede Gelegenheit zum Üben nutzen. Wir haben den Wagen auf dem Parkplatz in der Bedford Road stehengelassen und sind über die Fußgängerbrücke ins Friary gegangen.«
»Das ist ein Einkaufszentrum«, erklärte Will Gemma. »Sehr edel.«
Claire Gilbert lächelte ein wenig über Wills Beschreibung. »Ja, das ist wahrscheinlich richtig, aber ich muß zugeben, daß es mir gefällt. Es hat seine Vorteile, im Trocknen bummeln zu können.« Ihr Lächeln erlosch, als sie in ihrem Bericht fortfuhr. »Lucy wollte sich bei Waterstone ein Buch besorgen - ich glaube, irgend was von Hardy, für ihre Prüfung. Danach ...«. Sie rieb sich die Stirn und blickte einen Moment zum Fenster hinaus. Gemma und Will warteten geduldig, bis sie mit einem leichten Seufzen den Faden wiederaufnahm. »Wir haben in einem Fachgeschäft Kaffee gekauft, dann bei C & A ein Duschgel. Danach sind wir eine Weile herumgebummelt und haben uns dann ins Restaurant im Innenhof gesetzt, um Tee zu trinken. Mir fällt jetzt einfach der Name des Restaurants nicht ein.
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