Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
zusammengepfercht wie Sardinen in der Dose. Ich brauche ein bißchen Bewegungsfreiheit.«
Will Darling tippte Gemma auf die Schulter. »Wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl war! Kommen Sie, Gemma, wir warten im Gang. Auf diesen Spaß kann ich gern verzichten.«
Will nahm zwei Klappstühle aus einem Nebenzimmer mit, stellte sie vor dem Obduktionsraum auf und ließ Gemma einen Moment allein. »Ich seh mal, ob ich irgendwo eine Tasse Tee auftreiben kann«, rief er ihr über die Schulter zu, als er davonging.
Gemma setzte sich, schloß die Augen und lehnte ihren Kopf an die Wand. Es ärgerte sie ein wenig, ausgeschlossen worden zu sein, aber gleichzeitig war sie froh, die Kraft, die die Teilnahme an einer Obduktion immer forderte, nicht aufbringen zu müssen. Mit halbem Ohr lauschte sie dem Stimmengemurmel und dem Klappern der Instrumente, stellte sich die methodische Erkundung von Alastair Gilberts totem Körper vor, während ihre Gedanken sich mit Will Darling beschäftigten.
Er verfügte über eine ruhige Selbstsicherheit, die eigentlich gar nicht zu seinem Dienstgrad paßte, die dennoch nichts Aggressives hatte und nichts von dem Bestreben spüren ließ, den jeweiligen Vorgesetzten zu beeindrucken, wie sie es von sich und anderen kannte. Und er hatte etwas sehr Wohltuendes, vielleicht sogar Tröstliches in seiner Art; es war mehr als die Ungezwungenheit, die sein offenes, freundliches Gesicht versprach, aber sie konnte es nicht recht definieren. Sie machte die Augen auf, als er zurückkam und ihr einen dampfenden Pappbecher hinhielt. In Erwartung des typischen üblichen Anstaltsgebräus kostete sie den Tee und sah ihn erstaunt an. »Wo haben Sie denn den gefunden? Der schmeckt ja richtig gut.«
»Mein Geheimnis«, antwortete Will und setzte sich neben sie.•
Kate Lings Stimme drang klar und deutlich durch die offene Tür. »Aufgrund der Blutgeschwindigkeit und der äußeren Untersuchung der Kopfverletzungen sind wir natürlich ziemlich sicher, daß es sich um ein Trauma durch Einwirkung einer Stumpfen Waffe handelt, aber wir wollen doch mal sehen, was sich zeigt, wenn wir tiefer gehen.«
In der Stille, die folgte, umschloß Gemma ihren heißen Becher mit beiden Händen und trank ab und zu einen Schluck Tee. Sie wußte, daß Dr. Lingjetzt Gilberts Kopfhaut von seinem Schädel entfernte und nach vorn über sein Gesicht klappte wie eine groteske Maske, aber diese Geschehnisse schienen weit entfernt, abgeschnitten von ihren Gefühlen, vom Druck der kalten Metallehne des Stuhls an ihrem Rücken, den vagen Formen und Gestalten, die sie an der getünchten Wand gegenüber wahrzunehmen glaubte.
Die Lider wurden ihr schwer. Sie zwinkerte im Kampf gegen den Schlaf, der sich über sie senken wollte, aber die Lethargie, aus körperlicher Erschöpfung und seelischer Belastung geboren, überwältigte sie. Dr. Lings Worte klangen abgerissen durch den Nebel,der sie einhüllte. »... Schlag unmittelbar hinter dem rechten Ohr ... mehrere Schläge näher dem Scheitel ... alles leicht rechts ... nicht sicher sein ... auch Linkshänder ... mit der rechten Hand ausführen ...«
Sie riß die Augen auf, als sie Wills Finger an ihrer Hand spürte. »Verzeihen Sie«, sagte er leise. »Ihr Becher hing ganz schief.«
»Oh. Danke.« Sie umfaßte ihn fester und strengte sich an, wach zu bleiben und sich zu konzentrieren, aber die Stimme aus dem Obduktionsraum, so klar und präzise, begann von neuem, sie einzulullen. Als Will ihr ein paar Minuten später den Becher aus den Händen nahm, hatte sie nicht einmal die Kraft zu protestieren. Die Worte drangen jetzt mit einer Klarheit, einer beinahe körperlichen Präsenz auf sie ein und verdrängten alle anderen Reize.
»... am wahrscheinlichsten, daß der Schlag hinter das Ohr der erste war. Er wurde von hinten geführt, und die anderen folgten, als der Mann stürzte. Ah - sehen Sie sich das an ... sehen Sie diese halbmondförmige Einkerbung im Knochen? Genau hier? Und hier? Wir wollen sie sicherheitshalber einmal abmessen, aber ich würde wetten, daß das der Abdruck eines ganz gewöhnlichen Hammers ist ... ganz typisch. Was Scheußliches, so ein Hammer. Ich werde nie den Fall vergessen, mit dem ich in London zu tun hatte ... eine alleinstehende alte Frau, die ihr ganzes Leben lang keiner Fliege etwas zuleide getan hatte, machte eines Tages ihre Wohnungstür auf, und so ein Kerl gab ihr mit einem Hammer eins über den Schädel, daß sie sofort tot
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