Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Frühstücksnische überhaupt wahrgenommen zu haben. So geht das nicht, sagte sie sich und unterbrach Wills leises Gespräch mit dem Spurensicherungs-mann in schärferem Ton als sie beabsichtigt hatte.
»Mrs. Gilbert hat sich eine Tasse Tee gemacht und gesagt, daß sie im Wintergarten ist, wenn jemand nach ihr fragen sollte«, antwortete der Beamte von der Spurensicherung auf Gemmas Frage und machte sich wieder an seine Arbeit.
Gemma erinnerte sich des verglasten Anbaus, den sie vom Garten aus gesehen hatte, und ging Will voraus durch die Küche und dann rechts den Gang hinunter. Sie klopfte leicht an die Tür am Ende des Flurs, und als von drinnen keine Erwiderung kam, machte sie auf und warf einen Blick in den Raum dahinter.
Die verschwenderische Fülle von Grünpflanzen verlieh dem Raum die Atmosphäre, die man in einem Wintergarten erwartete, doch es war ein bewohnter Raum, der offensichtlich viel benutzt wurde. Zwischen zwei bequemen kleinen Sofas stand ein niedriger Tisch, der mit Büchern und Zeitungen beladen war. Vom Rücken des Sofas hing eine Wolldecke herab, und auf einem Beistelltisch lag eine Lesebrille. Unter dem anderen Sofa stand ein Paar Doc Martens, das erste Anzeichen, das Gemma bisher dafür gesehen hatte, daß Lucy Penmaric in diesem Haus lebte.
Claire Gilbert saß, die Beine hochgezogen, in dem Sofa, das mit dem Rücken zur Tür stand. Auf dem Schoß hatte sie einen Schreibblock, doch ihr Blick ruhte nicht auf dem Papier, sondern war in den Garten gerichtet, und selbst als Will und Gemma eintraten, rührte sie sich nicht.
»Mrs. Gilbert?« sagte Gemma leise, und Claire Gilbert fuhr ein wenig zusammen, ehe sie den Kopf drehte.
»Oh, entschuldigen Sie! Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.« Sie wies auf den Block auf ihrem Schoß. »Es gibt so vieles zu erledigen. Ich wollte mir eine Liste machen, aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren.«
»Wir müssen Ihnen einige Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Gemma und verfluchte Kincaid im stillen dafür, daß er ihr diese Aufgabe aufgebürdet hatte.
»Bitte, setzen Sie sich doch.« Claire Gilbert schob ihre Füße in ihre Schuhe und strich glättend über ihren Rock.
»Sie sehen ein bißchen besser aus heute morgen«, bemerkte Will, als er sich auf dem Sofa ihr gegenüber niederließ. »Haben Sie doch etwas schlafen können?«
»Ja, ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber ich habe tatsächlich geschlafen. Der Körper verlangt eben einfach sein Recht.« Sie sah in der Tat besser aus, nicht mehr so spitz und zerbrechlich, und ihre Haut war selbst im gnadenlosen klaren Morgenlicht so glatt und fein wie Porzellan.
»Und wie geht es Lucy?« fragte er, während Gemma, die sich neben ihn gesetzt hatte, ihr Heft herauszog.
Claire Gilbert lächelte. »Als ich heute morgen nach ihr gesehen habe, lag der Hund wohlig ausgestreckt auf ihrem Bett. Sie hat sich nicht einmal gerührt, als ich ihn mit hinausgenommen habe. Ich habe aber auch gestern abend nicht lockergelassen, bis sie ein Beruhigungsmittel genommen hatte. Sie kann so störrisch sein wie ein Esel, auch wenn man ihr das gar nicht ansieht, und kann es nicht zugeben, wenn sie am Ende ihrer Kräfte ist.«
»Ein bißchen wie die Mama, nicht wahr?« meinte Will mit feiner Vertraulichkeit, die Gemma, eingeschüchtert durch Claire Gilberts ziemlich förmliches Verhalten, niemals gewagt hätte. Sie erinnerte sich an Claire Gilberts Beunruhigung am vergangenen Abend, als sie bemerkt hatte, daß Will das Zimmer verlassen hatte, und staunte über seine Fähigkeit, in so kurzer Zeit eine solche Beziehung zu schaffen.
Claire Gilbert lächelte. »Vielleicht haben Sie recht. So zielstrebig wie Lucy war ich allerdings nie. Ich habe mich irgendwie durch die Schule geschwindelt, obwohl ich es sicher besser hätte machen können, wenn ich gewußt hätte, was ich will. Puppen und Mutter und Vater ...« fügte sie leise hinzu und blickte wieder in den Garten hinaus.
»Bitte?« sagte Gemma, die nicht wußte, ob sie richtig gehört hatte. Claire Gilbert sah sie mit einem entschuldigenden Lächeln an. »Ich war eines von den kleinen Mädchen, die am liebsten mit ihren Puppen Vater und Mutter spielten«, erklärte sie. »Ich war immer überzeugt, Ehe und Familie seien das einzig Wichtige im Leben, und meine Eltern, besonders meine Mutter, haben mich darin bestärkt. Aber Lucy - Lucy wollte immer schon
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