Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
eifersüchtig? Na, das wäre nun wirklich grotesk gewesen. Ich habe nie verstanden, wie Julia es überhaupt so lange mit ihm ausgehalten hat.«
Draußen blieb eine vorüberkommende Frau stehen und betrachtete das Gemälde im Fenster, wie schon mehrere andere Passanten, seit Kincaid die Galerie betreten hatte. Die Sonne war weitergewandert, und die Schatten der Weiden streckten sich länger über die Straße.
»Sie kommen nie herein«, bemerkte Kincaid, als die Frau in Richtung zur Teestube weiterging und aus seinem Blickfeld verschwand.
»Nein. Nicht oft.« Simons wies auf die Bilder an den Wänden. »Die Preise sind für Spontankäufe ein bißchen hoch. Die meisten meiner Kunden sind Stammkunden, Sammler. Aber hin und wieder kommt es vor, daß jemand einfach hereinschaut, sich in ein Bild verliebt und dann nach Hause geht und sich das Geld dafür zusammenspart.« Er lächelte. »Diese Leute sind mir die liebsten, die nichts von Kunst verstehen und nur aus Liebe zu dem Bild kaufen. Das ist so etwas Ursprüngliches.«
Kincaid richtete seinen Blick wieder auf das Mädchen auf der Wiese, das mit geschlossenen Augen dalag, das Gesicht der Sonne dargeboten, und nickte. »Ja, das verstehe ich.«
Einen Moment sah er Trevor Simons, der ihm ein aufmerksamer und anständiger Mann zu sein schien, schweigend an. »Einen guten Rat, Mr. Simons, den ich Ihnen wahrscheinlich gar nicht geben sollte. Ein Ermittlungsverfahren dieser Art schlägt Wellen - je länger es dauert, desto weitere Kreise zieht es. Ich an Ihrer Stelle würde versuchen, den Schaden zu begrenzen - sprechen Sie mit Ihrer Frau über Julia, wenn es geht. Ehe wir es tun.«
Kincaid saß an einem Fenstertisch in der Teestube. Die Metallkanne hatte getropft, als er eingeschenkt hatte, und seine Tasse stand in einer kleinen Pfütze auf der gesprenkelten Kunststoffplatte des Tischs. Am Tisch nebenan sah er die Frau, die vor ein paar Minuten vor dem Schaufenster der Galerie stehengeblieben war - eine korpulente Frau mittleren Alters, mit von Grau durchzogenem dauergewelltem Haar. Obwohl es im Lokal so warm war, daß die Fenster leicht beschlugen, trug sie noch immer eine wasserdichte Jacke über ihrem dicken Pullover. Vielleicht fürchtete sie, es könnte ganz unerwartet hier drinnen zu regnen anfangen? Als sie aufblickte, lächelte er ihr zu, aber sie sah weg, einen Ausdruck leiser Mißbilligung auf dem starren Gesicht.
Während er seinen Blick wieder zum Fluß hinauswandern ließ, spielte er geistesabwesend mit dem Schlüssel in seiner Hosentasche. Gemma hatte zusammen mit den ersten Berichten Connor Swanns Schlüssel, Adresse und eine Beschreibung des Hauses von der Dienststelle Thames Valley bekommen. Bis vor einem Jahr hatten Julia und Connor in der Wohnung zusammengelebt, die, wenn er sich beim Studium des Stadtplans nicht vertan hatte, nicht weit von hier sein mußte, in der Nähe der von Weiden überwachsenen Inseln, die er vom Fenster aus sehen konnte. Gut möglich, daß Julia morgens zu einer Tasse Kaffee oder nachmittags zum Tee in dieses Lokal gekommen war. Er stellte sich vor, sie säße ihm in der Nische gegenüber, in einem schwarzen Pulli, hastig rauchend, nachdenklich die Stirn gekraust. Er sah sie im Geiste vor sich, wie sie aufstand und auf die Straße hinausging. Einen Moment blieb sie vor der Galerie stehen, als zögerte sie, dann hörte er das Bimmeln des Glockenspiels, als sie die Tür öffnete und eintrat.
Kincaid schüttelte den Kopf und kippte den Rest seines Tees hinunter. Er schob sich aus der Nische und ging mit seiner aufgeweichten Rechnung zur Kasse, dann folgte er Julias Geist in die länger werdenden Schatten hinaus.
Er schlug den Weg zu den Grasniederungen am Fluß ein und blickte beim Gehen abwechselnd auf den ruhig dahinfließenden Fluß zu seiner Linken und die Wohnblöcke zu seiner Rechten. Es überraschte ihn, daß die Häuser hier nicht eleganter waren. Eines der größeren Gebäude war neugeorgia-nisch, ein anderes erinnerte mit seinen Bogenfenstern an den Tudor-Stil, und beide wirkten ein wenig heruntergekommen. Das Buschwerk in den Gärten war verwildert, hier und dort bildeten welker roter Mauerpfeffer und blaßblaue Herbstzeitlosen gelegentliche Farbtupfer. Aber es ist ja schließlich auch November, dachte Kincaid nachsichtig. Selbst der Kiosk, der im Sommer Dampferfahrten und Mietboote anbot, war geschlossen.
Die Straße wurde schmäler, und die großen Wohnblöcke wichen
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