Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Kamin.«
Dieses kleine Wohnzimmer hätte der Schauplatz einer Liebesgeschichte aus lang vergangener Zeit sein können, dachte Kincaid. Er sah sie vor sich, die beiden jungen Liebenden, wie sie steif auf den steifen Stühlen saßen, dann fiel ihm ein, daß diese Häuser ja für alte Wohlfahrtsempfänger gebaut worden waren. Er fragte sich, ob Connor je hierhergekommen war.
Diplomatisch sagte er: »Wenn Hayley jetzt wieder zu ihrer Grannie gehen will, um fertig zu essen, könnten wir beide vielleicht ein paar Schritte hinausgehen und uns unterhalten.«
Sharon warf ihm einen dankbaren Blick zu und neigte sich zu ihrer Tochter hinunter. »Hast du gehört, was der Superintendent gesagt hat, Schatz? Er möchte gern mal mit mir reden. Gehst du inzwischen wieder zu Grannie, ja? Wenn du alles aufißt, kannst du hinterher auch ein Plätzchen haben«, fügte sie überredend hinzu.
Hayley musterte ihre Mutter, als wollte sie die Aufrichtigkeit dieses Angebots ergründen.
»Ich versprech es dir«, sagte Sharon, drehte sie herum und gab ihr einen Klaps auf den Po. »Na komm, geh schon. Sag Gran, daß ich gleich komme.« Sie wartete, bis das kleine Mädchen in der Küche verschwunden war, dann sagte sie zu Kincaid: »Ich hol mir nur eine Jacke.«
Die Jacke erwies sich als eine braune Herrenstrickjacke, abgetragen und nicht ohne einige Mottenlöcher. Sie erinnerte Kincaid ironischerweise an die, die Sir Gerald Asherton bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte.
Als Sharon Kincaids Blick sah, lächelte sie und sagte: »Die hat meinem Großvater gehört. Gran hat sie aufgehoben. Nur so fürs Haus.« Als sie Kincaid nach draußen folgte, fügte sie hinzu: »Eigentlich ist sie meine Urgroßmutter, meine richtige Großmutter hab ich nie gekannt. Sie ist bei der Geburt meiner Mutter gestorben.« Die Sonne war in den wenigen Minuten, die Kincaid im Haus verbracht hatte, untergegangen, doch im abendlichen Zwielicht wirkte der Friedhof noch einladender. Sie gingen zu einer Bank, und als sie sich setzten, sagte Kincaid: »Ist Hayley immer so schüchtern?«
»Im Gegenteil, von dem Tag an, als sie die ersten Worte sprechen konnte, hat sie immer geplappert wie ein kleiner Papagei, auch mit Fremden.« Sharons Hände lagen locker in ihrem Schoß, so still, daß man hätte meinen können, sie gehörten nicht zu ihrem Körper. »Erst seit ich ihr das von Con gesagt hab, ist sie so geworden.« Sie sah hilfesuchend zu Kincaid auf. »Ich mußte es ihr doch sagen, oder nicht, Mr. Kincaid? Ich konnte sie doch nicht glauben lassen, er wär einfach abgehauen. Ich konnte sie nicht glauben lassen, daß er sich nichts aus uns gemacht hat.«
Kincaid bedachte die Frage sorgfältig, ehe er antwortete. »Ich glaube, Sie haben das Richtige getan, Sharon. Auf lange Sicht ist es immer besser, die Wahrheit zu sagen. Kinder spüren es, wenn man lügt, und wenn Sie Hayley belogen hätten, dann müßte sie jetzt nicht nur mit dem Verlust fertig werden, sondern auch mit dem Verrat.«
Sharon hörte ihm aufmerksam zu und nickte einmal kurz, als er geendet hatte. Einen Moment lang sah sie auf ihre Hände nieder. »Jetzt möchte sie wissen, warum wir ihn nicht sehen können. Meine Tante Pearl ist letztes Jahr gestorben, und da hat Gran sie vor der Beerdigung ins Leichenschauhaus mitgenommen.«
»Was haben Sie ihr gesagt?«
Mit einem Achselzucken erwiderte Sharon: »Daß jeder seinen eigenen Brauch hat. Was hätt ich denn sonst sagen sollen?«
»Ich könnte mir denken, sie will einen konkreten Beweis dafür, daß Con wirklich tot ist. Vielleicht könnten Sie hinterher einmal mit ihr zu seinem Grab gehen.« Er wies auf die Gräber, die so ordentlich im grünen Gras des Friedhofs angeordnet waren. »Das ist ihr doch sicher vertraut.«
Sie schob krampfhaft ihre Hände zusammen. »Ich kann mit keinem Menschen darüber reden, wissen Sie. Gran will nichts davon hören - sie war sowieso dagegen -«
»Warum das?« fragte Kincaid, überrascht, daß die Frau diese Beziehung nicht als Chance für ihre Urenkelin gesehen hatte.
»Vor dem Herrn ist eine Ehe eine Ehe«, ahmte Sharon ihre Urgroßmutter nach, und Kincaid hatte plötzlich ein klares Bild der alten Frau. »Gran hat sehr feste Überzeugungen. Für sie hat es keinen Unterschied gemacht, daß Con nicht mehr mit seiner Frau zusammengelebt hat. Sie hat gesagt, solange Con verheiratet sei, hätte ich keinerlei Rechte. Und jetzt zeigt sich ja, daß sie
Weitere Kostenlose Bücher