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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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und fuhr trotzdem fort: »Wir müssen so weitermachen, wie sie es gewollt hätte. Soviel sind wir ihr schuldig.«
     
    Janice Coppin nahm einen letzten Biß von ihrem Doughnut und wischte die Zuckerkristalle von ihrem Schreibtisch. Sie trank einen Schluck Kaffee, um die Süße hinunterzuspülen, ordnete die Papiere neu und runzelte die Stirn. Nur zähneknirschend war sie der Anweisung von Mister Scotland Yard gefolgt, der sie zu Reg Mortimers Wohnung geschickt hatte. Sie hatte Mortimer zwar für einen Blender gehalten und war kaum beglückt gewesen, Zusehen zu müssen, wie ihm angesichts der Hiobsbotschaft, bleich und grün im Gesicht, auch der letzte Rest von Charme abhandengekommen war.
      Aber vielleicht tat sie dem Superintendent unrecht. Es gab schlimmere Pflichten, einschließlich der Aufgabe, die Kincaid am vergangenen Abend auf sich genommen hatte ... nämlich die Schwester der Toten zu informieren und sie zum Leichenschauhaus zu begleiten. Außerdem hatte er sie tatsächlich gefragt, ob sie der Obduktion an diesem Morgen beiwohnen wolle - und sie hatte es nicht über sich gebracht zuzugeben, daß ihr dazu der Mumm fehlte, und sie es nicht ertragen hätte, sich vor ihm zu blamieren.
      Es war sogar entfernt möglich, nahm sie an, daß, als Kincaid ihr am Vorabend gesagt hatte, sie solle nach Hause gehen und nach ihrer Familie sehen, dies nicht als gönnerhafte Geste einer Frau gegenüber gemeint gewesen war. Sein weiblicher Sergeant hatte erwähnt, ebenfalls einen kleinen Jungen zu haben. Schon aus diesem Grund mußte er mit den Schwierigkeiten alleinerziehender Mütter vertraut sein.
      Janice fragte sich, ob die beiden ein Verhältnis hatten. Sie spürte eine stumme Vertrautheit zwischen ihnen, die weit über die Erfordernisse des Jobs hinausging. Natürlich war ihr das gleichgültig ... wenn Sergeant Gemma dumm genug war, sich mit einem Vorgesetzten einzulassen, war das ihr Problem.
      Falls sie Kincaid jedoch tatsächlich etwas Sensibilität Zutrauen durfte, sollte sie seinen Ratschlag vielleicht doch überdenken. So etwas wie einen unwichtigen Zeugen gäbe es in einem Mordfall nicht, hatte er gesagt.
      Das war ihr Bezirk, ihre Gegend. Sie kannte Vergangenheit und Gegenwart der Leute, alles Dinge, von denen Außenseiter keine Ahnung hatten. Es wurde Zeit, daß sie dieses Wissen zu ihrem Vorteil nutzte. Sie wollte noch einmal mit dem alten George reden, auch wenn es sie die Entschuldigung für einen längst verjährten Fehltritt kostete.
      Eins nach dem anderen, dachte sie. Sie stand auf, warf die Tüte, die den Doughnut enthalten hatte, in den Papierkorb und schnippte Krümel von ihrem Jackett. Reg Mortimers Beschreibung des Straßenmusikanten im Tunnel hatte sie augenblicklich an den abtrünnigen Sohn von Lewis Finch denken lassen, jenem lokalen Bauunternehmer, der sich mit dem Wiederaufbau der Docklands einen Namen und ein Vermögen gemacht hatte. Sie konnte sich nicht denken, welche Verbindung Gordon Finch zu der verstorbenen Annabelle Hammond gehabt haben sollte, hatte jedoch eine recht gute Vorstellung davon, wo sie ihn finden würde.
     
    Die drei Apartmenthäuser am Ende der Ferry Street waren Ende der siebziger Jahre in der letzten Phase des hochfliegenden Wohnungsbauplans am Fluß entstanden, der aufgrund der Rezession auf dem Olmarkt gescheitert war. Nur kühn aufragende Dachsilhouetten waren hinter der Backsteinmauer und den gut eingewachsenen Privatgärten sichtbar, die zwischen den Häusern und der Straße lagen. Allerdings waren schon diese Details spektakulär genug, um in Kincaid den Wunsch zu wecken, die Häuser vom Fluß aus sehen zu können.
      Janice Coppin hatte ihn in bezug auf die Gegend aufgeklärt ... als sie vergangenen Abend die Adresse gehört hatte, hatte sie die Nase gerümpft und erklärt, die Häuser sähen wie vom Einsturz bedrohte Kartenhäuser aus: Jetzt mußte Kincaid angesichts der treffenden Beschreibung unwillkürlich lächeln. Trotzdem gefiel ihm das Spielerische an dem geometrischen Konzept, und er wünschte, ein besseres wirtschaftliches Klima hätte die Fertigstellung des Projekts erlaubt.
      Nach Janice’ Aussage war die wirtschaftliche Situation in den folgenden Jahren einem ständigen Auf und Ab unterworfen gewesen. Erst vor kurzem war ein altes Gebäude, das zwischen den Privatgärten und der Ferry Street stand, zu Apartments umgebaut worden, und genau dort hatte Annabelle Hammond gewohnt.
      Die Tür zu Annabelles Apartment lag an einer

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