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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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seinem Leben hatte er sich unerwünscht gefühlt. Das einzige, das ihn, wenn auch minimal, tröstete, war, daß auch niemand die Lehrerinnen haben wollte, und Mißfenkins und Miß Purdy wirkten ebenso verloren, wie er sich fühlte.
      Eine Gaslaterne flackerte auf, als die für die Einquartierung zuständige Dame der Gemeinde sie entzündete, und warf lange, zuckende Schatten über Wände und Fußboden. Ein paar alte Holzstühle waren in der Nähe der Tür zu einem Kreis zusammengerückt worden, und dort besprachen sich die Dame von der Gemeinde und die beiden Lehrerinnen mit leiser Stimme. Lewis glaubte, die Worte »letzte Rettung« zu verstehen, als ihre besorgten Blicke über die verbliebenen vier Kinder huschten.
      In diesem Moment beschloß er, nach Hause zurückzukehren. Sobald sie ihm den Rücken zuwandten, wollte ersich davonschleichen und auf die Suche nach der Straße machen, die aus dem Dorf hinausführte. Die Vorstellung davon, wie die endlos weite Fläche der Landschaft, die er vom Bus aus gesehen hatte, in der Dunkelheit versank, machte ihm schwer zu schaffen. Doch all das war besser als diese Warterei. Er würde bestimmt eine Mitfahrgelegenheit nach London erwischen, und wenn er Glück hatte, kriegte er vielleicht auch etwas zu essen.
      Während er die Beine anzog, die Muskeln auf die Chance der Flucht wartend spannte, hörte er ein vertrautes Geräusch. Fferdehufe klapperten über das Pflaster wie beim alten Snowflake, der zu Hause den Milchwagen zog. Aber Milch kam morgens und nicht abends. Ein Angstschauer rann Lewis über den Rücken, als das Pferdegetrappel verstummte und das Pferd direkt vor der offenen Tür der Frauenvereinigung laut schnaubte. Er stand mit klopfendem Herzen auf.
      Der Mann, der eintrat, sah allerdings kaum furchterregend aus. Er trug eine schwarze Uniform und Mütze wie der Chauffeur, den Lewis im Kino gesehen hatte, und schien nur wenig älter als Lewis’ Vater zu sein.
      »John, wie schön, daß Sie kommen.« Mrs. Slocum, die Dame von der Gemeinde, seufzte vor Erleichterung. »Ich wußte doch, daß wir damit rechnen können, daß Edwina die letzten Kinder aufnimmt.«
      Der Mann nahm die Mütze ab, begrüßte die beiden Lehrerinnen mit einem Nicken und erwiderte schroff: »Tut mir leid, Mrs. Slocum, aber Mrs. Burne-Jones hat mich beauftragt, nur ein Kind mitzubringen.« Er warf einen Blick auf die Kinder und preßte die Lippen zusammen. »Sind das alle, die Sie haben?«
      »Ich fürchte schon«, erwiderte die Dame, und Lewis fragte sich, ob die Entschuldigung für die Kinder oder für den Mann in Uniform gedacht war. »Aber sicher...«
      »Und es muß ein Junge sein. Er bekommt nämlich das Zimmer über dem Stall«, erklärte er bestimmt. Seine schmalen Lippen waren nur noch ein Strich, als er Lewis und Bob Thomkins betrachtete. Er hob den Finger. »Schätze, der ist der Richtige.«
      Als Lewis merkte, daß der Finger auf ihn gerichtet war, sah er sich hastig um, um auszuschließen, daß plötzlich noch ein anderer Junge hinter ihm aus dem Nichts aufgetaucht war.
      »Also gut ... Lewis ...so heißt du doch? Hol deine Tasche. Du kommst ins Herrenhaus. Mr. Pebbles hier nimmt dich mit«, sagte Mrs. Slocum, die aus ihrem Mißfallen über die Sturheit der unbekannten Mrs. Bumefones kein Hehl machte. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln, »John, bitte richten Sie Ihrer Herrin aus, daß wir noch drei Kinder haben, die ohne ein Dach über dem Kopf sind. Ganz zu schweigen von den beiden Lehrerinnen. Sicher könnte sie ein Plätzchen für die beiden finden. Wenn auch nur vorübergehend.«
      John bedeutete Lewis, zur Tür zu gehen. »Ich richte es ihr aus, Mrs. Slocum. Aber Sie wissen ja, wie sie ist, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat.« Er legte die Hand an die Mütze und folgte Lewis nach draußen.
      Der Schimmel schimmerte matt in der Dunkelheit. Er stampfte und schüttelte sich in seinem Zaumzeug, als sie näher kamen, so daß der zweirädrige Einspänner wackelte, John sprang auf den Kutschbock und griff nach den Zügeln. Dann sah er stirnrunzelnd auf Lewis herab. »He, worauf wartest du noch, Junge? Willste ’ne Extraeinladung?« Und freundlicher fügte er hinzu: »Hast du noch nie einen Einspänner gesehen?« Er klopfte auf den Sitz an seiner Seite. »Spring auf. Mach schnell! Wir haben noch einen langen Weg vor uns, und das Abendessen wartet.«
      Das Wort »Abendessen« klang wie Musik in Lewis’ Ohren. Weglaufen konnte er

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