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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schließlich immer noch, wenn ihm das Haus nicht gefiel. Er versuchte auf den Einspänner zu klettern, als täte er das jeden Tag.
      John schnalzte mit der Zunge, und das Gespann setzte sich langsam in Bewegung. Im Dorf war es stockfinster wegen der von den Behörden verordneten Verdunklung. Nur ein Lichtfleck war zu sehen, als jemand den Vorhang vor der Tür der Dorfkneipe am Dorfplatz kurz zurückzog.
      Lewis’ Herz war schwer vor Heimweh, als er einen kurzen Blick auf die Männer erhaschte, die mit den Bierkrügen in der Hand in der Nähe der Tür standen und den warmen Abend genossen. Doch bald hatten sie tröstliche Szenen wie diese hinter sich gelassen, und als die schmale Straße bergauf zu führen begann, wurde die Dunkelheit immer undurchdringlicher. Der Hufschlag des Pferdes wurde durch die Laubdecke über dem Weg gedämpft, und Lewis spürte mehr als daß er sah, daß sich über ihnen ein dichtes Blätterdach wölbte. Er fühlte sich verloren in der Finsternis, so flüchtig wie der Nebel, der sich vor ihnen sammelte.
      Lewis hielt den Blick auf den schwach schimmernden Pferdeleib geheftet und fragte: »Wie findet er den Weg in der Dunkelheit?«
      Ein Schnauben, das ein Lachen hätte sein können, kam von dem Mann, der neben ihm saß. »Hast du nie einen Pferdewagen gelenkt, Junge? Er reagiert auf meine Signale, die ich ihm mit Hilfe der Zügel gebe. Aber hier braucht er diese Orientierungshilfen gar nicht. Er findet seinen Heimweg so gut wie du und ich.«
      »Wie heißt der Schimmel?« fragte Lewis, den die geduldige Antwort ermutigte.
      Diesmal war das Kichern unmißverständlich. »Zeus. Blöder Name für ein Pferd, wenn du mich fragst. Aber mich fragt ja keiner.«
      Lewis warf einen Blick auf seinen Begleiter. Er war erleichtert, daß die scharfe Nase, die er unter der Schirmmütze schwach erkennen konnte, offensichtlich keine Übellaunigkeit verhieß. »Dann sind Sie der Stallknecht?«
      »Du bist aber ein Naseweis.«
      »Ist nur, daß ich zuerst dachte, daß Sie der Chauffeur sind«, fügte Lewis hastig hinzu, denn er fürchtete, dem neuen Freund zu nahe getreten zu sein. »Aber Sie haben eben keinen Wagen.«
      »Ich fahre alles, was Miß Edwina möchte, daß ich fahren soll«, erwiderte John, und Lewis war erleichtert, erneut den amüsierten Unterton infohns Stimme zu hören. »Der junge Harry Watts, der Stallbursche, ist gestern davongelaufen und hat sich freiwillig zur Armee gemeldet. Du kriegst Harrys Zimmer, Junge. Nicht daß er viel getan hätte. Hatte ja auch nur zwei Pferde, um die ersich kümmern mußte. Den alten Zeus hier und Miß Edwinas fagdpferd. Sie nimmt normalerweise lieber den Wagen, aber sie wollte kein Benzin verschwenden, nur um einen Londoner Gassenjungen aus dem Dorf abzuholen.«
      Lewis überlegte, ob er sich durch die Bezeichnung »Gassenjunge« beleidigtfühlen sollte, beschloß jedoch dann, daß sein Stolz es ertragen konnte, denn er wollte nicht, daß die interessante Informationsquelle neben ihm versiegte. »Was für ein Auto hat sie denn?«
      »Wir haben zwei, Junge. Einen MG Roadster, den Miß Edwina selbst lenkt, und den Bentley, den ich für sie fahre.«
      »Heiliger Strohsack!« flüsterte Lewis gepreßt. Diese Autos waren der Stoff, aus dem seine Träume waren, Phantome, die man zwischen den Lastautos und Lieferwagen auf der Isle of Dogs nicht zu Gesicht bekam. Wohin kam er da nur? »Wer ist Miß Edwina?« wagte er einen neuen Vorstoß. »Ist sie sehr reich?«
      John lachte. »Für dich ist sie Mrs. Burne-Jones, Junge, und ich schätze, es geht ihr finanziell ganz gut. Bilde dir selbst ein Urteil. Wir sind gleich da.«
      Lewis konnte keine Veränderung in der düsteren Blätterwelt erkennen, die sie umgab, aber die Unterhaltung mit John hatte ihm die Angst ein wenig genommen. Nach kurzem Schweigen riskierte er noch eine Frage: »Gibt es auch einen Mr. Burne-Jones?«
      »Hat sich bei einem Jagdunfall ein Jahr nach ihrer Hochzeit das Genickgebrochen. Aber wenn du mich fragst, ist sie nicht ungern hierher zurückgekommen. Das Haus gehört ihrer Familie, den Haliburtons ... die zugige, alte Bruchbude. Und jetzt sei still, Junge, und halt dich gut am Wagen fest.« Er zog an den Zügeln und schnalzte mit der Zunge. Zeus wandte sich scharf nach links, und der Wagen holperte in eine tiefe Radspur, so daß Lewis beinahe vom Sitz gefallen wäre.
      Als er sich wieder aufrichtete, erkannte er, daß sie die Baumkulisse verlassen

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