Deborahs Totenacker
Friedhofs verbergen konnten. Die Ghouls, andere Wesen, Knochen, Leichen, ab und zu unterbrochen von alten Steinen, die das Strauchwerk umgaben.
Dieser Friedhof war etwas Besonderes. Zumindest empfand ich den Ort, an dem ich mich aufhielt, als nicht normal. Eine Insel auf der Insel, ein gefährlicher Flecken Erde, versehen mit dem Pesthauch des Bösen, dem Rest einer furchtbaren Macht, über die ich nicht einmal nachzudenken wagte.
Der Wind spielte mit den trockenen, blattlosen Zweigen. Sie schlugen gegeneinander, knarrten und ächzten, was mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken trieb. Lose Blätter rutschten über den Boden, sie wehten an meinen Füßen vorbei oder wurden von mir zertreten.
Das Gras war kaum zu sehen. Unkraut hatte es längst überwuchert. Die Steine standen eng zusammen. An einigen Stellen häuften sie sich sogar, und ich wurde an den alten jüdischen Friedhof in Prag erinnert.
Dieses Gräberfeld war doch größer, als es beim ersten Hinsehen ausgeschaut hatte. Immer wieder entdeckte ich neue Steine und Kreuze, teilweise im Gesträuch verborgen.
Und Deborah?
Der intensive Geruch war da, er blieb, aber die Quelle dieses Gestanks zeigte sich nicht.
Dabei war ihr rotes Haar auffällig. Ich hatte mich darauf konzentriert. Sie würde es schwer haben, sich zu verstecken, das Haar schimmerte immer durch, aber es blieb noch ein Wunschtraum.
Bis zu dem Augenblick, als ich mich zur Seite drehte. Es geschah rein zufällig, vielleicht hatte ich auch dort ein fremdes Geräusch gehört, was nicht zu den anderen paßte, jedenfalls war ich gewarnt, und das nicht ohne Grund.
Ich sah sie!
Im ersten Moment war ich perplex. Ich hatte mit einem häßlichen, stinkenden Ghoulgeschöpf gerechnet, doch vor mir stand ein Vollblutweib!
Eine tolle Frau, die bei keinem Mann ihre Wirkung verfehlte. Die Haare waren eine Flut, das Gesicht zeigte feine Züge, die Augen hatte sie halb geschlossen, ich sah trotzdem das grüne Funkeln darin. Niemand hätte einer derartigen Person die Herrschaft über diesen alten Totenacker zugetraut.
Und doch war diese Frau ein Ghoul! Kein anderer verströmte diesen Geruch. Es mußte sie sein, trotz ihrer Schönheit, aber die war vergänglich. Das Äußere interessierte bei einem Menschen nicht.
Wichtig war, was in ihm steckte, und diese Person war nur äußerlich ein Mensch. Tatsächlich aber gehörte sie zu den Dienern der Finsternis.
Sie trug ein helles Kleid unter dem Mantel, der auch nur lose über ihre Schultern hing. Sie hatte den Mund zu einem Lächeln verzogen und die rechte Hand erhoben, als wollte sie mir zuwinken.
»Deborah?« fragte ich.
»Ja.«
»Ich habe dich gesucht.«
»Das weiß ich.«
»Wie schön. Du weißt, daß ich es nicht hinnehmen kann, wie du dich aufführst. Aber einem Ghoul wird wohl nichts anderes übrigbleiben, er ist eben so von der Natur pervertiert worden. Du hast genug Unheil angerichtet, es ist dein Ende.«
»Ich habe Hunger«, sagte sie.
»Das glaube ich dir sogar.«
»Ich werde mich sättigen!«
»Versuche es!«
»Dich hole ich auch!«
Ich wiederholte mich. »Versuche es. Komm her zu mir, dann sehen wir weiter.«
Ich war gespannt, ob sie es tat, denn ich wollte sie einfach in meine Nähe locken. Noch war sie zu weit entfernt, zwar nicht für einen gezielten Schuß, aber sie konnte, wenn ich mich bewegte, in Deckung gehen, und die Chance wollte ich ihr nicht…
Nein, sie bewegte sich.
Brutal rissen meine Gedanken ab.
Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, was tatsächlich geschah.
Es ging nicht einmal abrupt oder zu schnell, aber leider so rasch, daß ich zu spät reagierte und an den Folgen nichts mehr ändern konnte. Unter mir rutschte der Boden weg. Er kippte nicht, er rutschte, und ich machte die Bewegung mit.
Bevor ich wieder einigermaßen klar denken konnte, befand ich mich schon auf dem Weg nach unten. Eine gefährliche Partie, die mich zudem auch nach hinten riß.
Mit dem Hinterkopf schlug ich auf die Platte, dann wurde die Ebene vor mir noch steiler.
Ich hörte Deborahs Lachen, das meinen Fall in die Tiefe begleitete.
Dann hatte ich die Kante der Platte erreicht, und nichts war da, was mich noch stoppen konnte. Ich fiel in die Tiefe des Totenackers…
***
Deborah war zufrieden.
Sie stand auf dem Rand der Platte. Lächelnd hatte sie das Verschwinden des Mannes beobachtet. Er war ihr Feind, er konnte ihr wirklich gefährlich werden, er hätte auch diesen Friedhof nicht finden dürfen, und er hätte es
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