Debütantinnen - Roman
heiß. Und das Ganze war unglaublich vertrackt.
Plötzlich überkam sie der überwältigende Wunsch, high zu sein, total von Sinnen, jemanden zu verführen. Pornografische Bilder stiegen in ihr auf − ein Gewirr aus nackten Gliedern, jemand, der sie leckte, ihr Mund, der über die Haut eines anderen Körpers streifte … Ihr Herz zog sich zusammen.
War es nur eine Phantasie oder ein Flashback?
Sie, nackt, auf den Knien vor ihm. Er hielt ihren Kopf in den Händen, schob die Hüfte vor …
Sie biss sich fest auf die Unterlippe. So fest, dass es blutete. Und das Verlangen wuchs, dem gegenwärtigen Augenblick zu entfliehen.
Stopp.
Doch sie konnte nicht aufhören.
Wie Jack wohl ohne Kleider aussah? Sie waren allein. Er fühlte sich von ihr angezogen, das spürte sie. Und er war ein Fremder. Warum war es leichter, mit einem Mann zu ficken, den man nicht kannte?
Sie stieß den Rauch aus.
Lass es.
Doch schon durchströmte eine träge Sinnlichkeit ihre Glieder, ihre Phantasie überschlug sich, produzierte Bilder, die sie nicht kontrollieren konnte. Das Einzige, woran sie nicht denken sollte, war das Einzige, was ihr unaufhörlich durch den Kopf ging.
Sie drehte sich um. Die Laken waren weggerissen, zwei nackte Leiber, Fremde, die einander berührten … Wenn sie doch nur ausgelöscht werden könnte, vernichtet, zerstört.
Sie schloss die Augen. Die Phantasie verblasste. Sie nahm einen letzten Zug, drückte die Zigarette aus und warf sie aus dem Fenster auf die Auffahrt.
Sie spazierte ins Bad, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und setzte sich auf den Toilettendeckel. Sie dachte noch einmal an die Nachricht, die zusammen mit all den anderen auf ihrem Handy auf sie wartete.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie eine davon beantwortete.
Ich bin verrückt, dachte sie. Ich bin total am Arsch, da ist nichts mehr zu machen.
Sie vergrub das Gesicht in den Händen und weinte.
*
Jack trank seine Tasse Tee aus, ging um das Haus herum zur Vorderseite und holte seine Tasche und seine Ausrüstung, die Digitalkamera und die Notizbücher, aus dem Kofferraum. Ein Hauch Zigarettenqualm stieg ihm in die Nase, und er schaute zu dem offenen Fenster im ersten Stock hinauf. Er lächelte. Sie rauchte heimlich!
Sie war also doch nicht so wohlerzogen, wie es auf den ersten Blick schien.
Er amüsierte sich darüber, dass sie, nur wenige Meter von ihm entfernt, verbotene, heimliche Dinge tat.
Er ging ins Haus, wo seine Schritte über den kühlen Marmorboden hallten, und lief die Treppe hinauf. Als er oben ankam, wurde rechts vom Treppenabsatz eine Tür geschlossen. Also wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung und eilte den linken Flur hinunter. Im großen Schlafzimmer warf er seine Sachen aufs Bett und zog sein Jackett aus. Dann trat er ans offene Fenster und ließ den Blick über den Rasen schweifen.
Eine knisternde Vorahnung lag in der Luft, eine Spannung, die er seit Jahren nicht gespürt hatte. Es war falsch, sich von dieser jungen Frau so erregen zu lassen, sich darauf zu freuen, neben ihr zu stehen, sie zu sehen. Schon überlegte er sich mögliche Themen für ein Gespräch beim Abendessen, Fragen und geistreiche kleine Bemerkungen, mit denen er sie beeindrucken wollte. Er merkte, wie aufgedreht er war.
Was für ein Idiot!
Doch in Wahrheit erschreckte es ihn, wieder etwas zu empfinden.
Er war es gewohnt, allein zu sein. Das war sicher. Und er hatte inzwischen seinen Rhythmus gefunden. Er saß an denselben Tischen in denselben Cafés, bestellte die gleichen Gerichte. Die Kellnerin erinnerte sich daran, wie er seinen Kaffee trank, der Besitzer plauderte mit ihm über das Buch, das er gerade las. (Man wusste eben, wie man einen Stammkunden behandelte.) Und es gab genügend Dinge, die man, wenn auch nicht glücklich, so doch zumindest friedlich, ruhig tun konnte − durch Galerien spazieren, Konzerte besuchen, allein im Kino sitzen, im Dunkeln. Dies war sein Leben.
Doch jetzt war der Platz neben ihm besetzt – zumindest für kurze Zeit. Er hatte noch den Duft ihres Parfüms in der Nase.
Lass dich nicht von der Romantik des Schauplatzes verführen, ermahnte er sich. Es geht um Sex, schlicht und ergreifend. Es ging immer um Sex und würde immer um Sex gehen. Sex kam als Liebe verkleidet daher, als Leidenschaft und als romantische Besessenheit, doch früher oder später war die Vergoldung abgerieben, und die Münze darunter war immer guter alter Sex.
Plötzlich drang eine Erinnerung durch seinen
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