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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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des Hauses zu erkunden. Es gab weitere große Schlafzimmersuiten, sowohl mit Meer- als auch mit Gartenblick, Bäder, Ankleidezimmer, einige mit Blumen dekoriert, andere nautisch angehaucht … Sie bewegte sich leise, denn sie war sich bewusst, dass Jack sich ausruhte. Sie wollte ein Gefühl für das Haus bekommen wie ein Tier, das sich orientiert. Auf dem Treppenabsatz wandte sie sich in die andere Richtung und eilte den langen Flur hinunter, der die beiden Flügel des Hauses trennte. Gesprenkeltes Sonnenlicht tanzte in Mustern über die verblichenen Orientläufer, abgewetzt vom jahrelangen Gebrauch. Sie stieß auf zwei weitere Gästezimmer und ein großes Bad und ganz am Ende des Flurs auf eine geschlossene Tür. Sie drehte den Knauf. Die Tür war abgeschlossen. Jack hatte sicher einen Schlüssel.
    Cate bückte sich und nahm das alte Schloss unter die Lupe. Es war nicht besonders kompliziert. Es würde sogar sehr leicht sein.
    Als sie zurück in ihr Zimmer eilte, um sich aus ihrer Tasche eine Nagelfeile und eine Kreditkarte zu holen, war sie sich durchaus bewusst, dass es einfacher wäre, auf ihn zu warten − dass es sich nicht gehörte, das Türschloss zu knacken. Doch sie spürte eine kindische Starrköpfigkeit, das zu tun, wonach ihr der Sinn stand und wann ihr der Sinn danach stand. Die Vorstellung, um Hilfe zu bitten, war wie eine Niederlage. Und sie empfand eine gewisse trotzige Erregung, als sie rasch zurück zu der verschlossenen Tür ging und das Schloss in einer einzigen raschen Bewegung knackte.
    Diese Fertigkeit hatte sie von ihrem Vater gelernt, als sie elf Jahre alt war − Teil einer kontinuierlichen Ausbildung, die er gerne als »die kleinen Talente des Lebens« bezeichnete. Dazu gehörten solche Juwelen wie das Drehen einer Zigarette, die Zusammenstellung eines perfekten Schinkensandwichs und wie man zu dem Zweck, anschreiben zu lassen, ohne die Rechnung je bezahlen zu können, praktisch jeden um den Finger wickelte. Nach seiner Scheidung von ihrer Mutter hatte er in einer kleinen Sozialwohnung hinter der Bond Street Station gewohnt. In seiner Jugend war er ein vielversprechender Gitarrist gewesen, doch als unwillkommene Begleiterscheinung seines Alkoholkonsums war seine Karriere als Studiomusiker bald beendet gewesen. Sein einst auffallend gutes Aussehen schwand als Folge jahrelanger Verwahrlosung. Sein rotblondes Haar und seine grüngrauen Augen schienen jedes Mal, wenn sie ihn sah, an Farbe verloren zu haben, und sein Selbstbewusstsein und seine Ungezwungenheit wurden von zahllosen durchzechten Nächten zerstört. Sie besuchte ihn, und wenn er nüchtern war, ging er mit ihr in ein Café, wo man den ganzen Tag frühstücken konnte, und anschließend in eine Nachmittagsvorstellung zum halben Preis ins Odeon Kino in der Marble Arch Station. An einem guten Tag schien er sich ehrlich zu freuen, sie zu sehen, dann konnte er eine Zigarette nach der anderen rauchen, ohne Punkt und Komma über die Dinge reden, die sie machen würden, die Jobs, die er in Aussicht hatte, die Reisen, die sie unternehmen würden, sobald er wieder Geld hatte. Vielleicht nach Brighton, vielleicht nach Europa, vielleicht sogar auf Safari nach Afrika. Ein Plan war magischer und ehrgeiziger als der andere, jedes Versprechen aufrichtig und tiefempfunden. Wenn er lächelte, war er der bestaussehende Mann im Raum. »Dieser Job ist anders«, sagte er. »Diesmal kommt alles zusammen.« Und sie glaubte ihm.
    Gegen drei Uhr wurde er dann immer nervöser und gereizter. Egal wie viel Mühe sie sich gab, egal wie viele amüsante Geschichten sie erzählte, es gelang ihr nicht mehr, seine Aufmerksamkeit wachzuhalten. Und ehe sie sichs versah, saßen sie in einem Pub. Aus einem Glas wurden fünf, dann sieben. Seine Miene verhärtete sich, seine Aussprache wurde immer undeutlicher, und sein ganzer Charakter veränderte sich. Er verlor seine Schlüssel, verlegte seine Brieftasche, begann wegen einer Beleidigung, die nur er gehört hatte, Streit mit einem Fremden. Und wenn sie dann Mühe hatte, ihn nach Hause zu bringen, ohne dass er umkippte oder Prügel einstecken musste oder eine lächerlich alte Barkellnerin verführte, über die er sich zwei Stunden zuvor noch lustig gemacht hatte, kamen die »kleinen Talente des Lebens« recht gelegen.
    Sie fuhren nie nach Afrika, ja, nicht einmal nach Brighton. Er machte sein ganzes Leben lang Versprechungen, die er nicht hielt. Und doch liebte sie ihn − mit der sturen, schmerzlichen, magischen Liebe,

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