Debütantinnen - Roman
noch den Druck seiner Finger, die sich in ihre Haut gruben, als sie versucht hatte, sich von ihm zu lösen.
Dämmerung. Eine blasse dünne Mondsichel stieg auf.
Ein fremdes Haus, verschleiert und doch lebendig in der Dunkelheit. Es seufzte und zitterte. Dinge verschoben sich, Umrisse, halb wahrgenommen, huschten über den Boden.
Ohne sich das Gesicht zu waschen, die Zähne zu putzen oder die Kleider auszuziehen, rollte Cate sich auf dem Bett zusammen und schloss die Augen.
* * *
17, Rue de Monceau
Paris
20. Juli 1926
Meine liebste Wren,
also, endlich ist hier etwas Interessantes passiert! Eleanors Cousin ist in die Stadt gekommen, Frederick Ogilvy-Smith oder Pinky, wie er wegen seiner permanent geröteten Wangen auch genannt wird (sie sehen wirklich aus wie ein frisch versohlter Hintern). Und er ist äußerst lustig, was überrascht, wenn man bedenkt, wie durch und durch langweilig Eleanor ist. Er ist auf dem Weg nach Nizza, um die Hartingtons in ihrer Villa in der Nähe von Eze zu besuchen, fand jedoch, er könnte ruhig ein bisschen länger hierbleiben, um uns alle zum Essen und in eine Show auszuführen. Eleanor war natürlich verärgert, doch er und Anne und ich kommen prima zurecht. Vielleicht ein bisschen zu prima − sag mir, was Du davon hältst. Wir spazieren über den Place de la Concorde, nachdem wir das Ritz verlassen haben, und er nimmt meinen Arm.
»Du bist das Brot-Mädchen, nicht wahr?«
»Wie bitte?!« (Ich habe versucht, ernst und reserviert zu sein, aber, ehrlich, das hat bei Pinky überhaupt keinen Sinn − er macht trotzdem weiter.)
»Jetzt sei nicht zimperlich. Es weiß doch jeder, dass deine Mutter Lord Warburton von Warburton’s Wholesale Wholegrain geheiratet hat. Ein gutes Brot.« Er sieht mich von der Seite an. »Jetzt, wo du eine berühmte Erbin bist, sollte ich dich wohl umwerben.«
»Ich bin nicht berühmt.«
»Du wirst es sein.«
»Und ich bin keine Erbin!«
»Na ja, dann eben wahnsinnig wohlhabend. Soll ich?«
Ich seufze. »Wenn es sein muss.«
»Wir bringen es am besten hinter uns.« Er nimmt die Hände aus den Taschen und sagt mit schmachtender Stimme: »Deine Augen sind wie zwei vollkommene blaue …«
»Bitte hör auf.«
»Meinetwegen.«
»Was ist mit Anne?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Na, solltest du nicht auch um sie werben?«
»So macht man das eigentlich nicht. Streng genommen jedenfalls nicht. Man muss warten, bis ein Mädchen geht, bevor man es beim nächsten probiert.«
»Wir sind Freundinnen.«
»Verstehe.« Er wendet sich Anne zu. »Deine Augen sind wie zwei vollkommene blaue …«
»Braun.«
»Ah.« Er unterbricht sich. »Das ist mir zu kompliziert! Sollen wir uns irgendwo einen Cocktail genehmigen? Eine Zigarette?« Er wendet sich mir zu. »Einen Kuss?«
Und ich hab’s getan, Liebes, das heißt, ich habe mich von ihm küssen lassen. Und bevor Du fuchsteufelswild wirst, lass mich erklären, dass Pinky eben lustig ist und ziemlich harmlos. Er ist mehr wie ein Bruder als wie ein Mann, und wir wollten unbedingt herausfinden, wie es ist. Abgesehen davon hat er auch Anne geküsst. Es hätte wirklich keinen Sinn gehabt, wenn er nur eine von uns geküsst hätte, denn dann hätten wir uns ja hinterher nicht darüber austauschen können. Wir waren uns einig, dass es ein bisschen feuchter war, als wir gedacht hatten, und wahrscheinlich netter wäre, wenn es nicht Pinky gewesen wäre. Er hat gefragt, ob er mir schreiben darf, und ich habe ja gesagt. Ich habe schon eine Postkarte mit einer Ziege und einem ziemlich zwielichtigen Bauernmädchen bekommen. Und statt Brot-Mädchen nennt er mich jetzt Toast. Glaubst Du, wir sind verlobt?
Bitte erzähl Ihrer Heiligkeit nichts davon, sonst werde ich noch gezwungen, mit einem Mann durchzubrennen, dem ich erst ein Mal begegnet bin.
Tausend Küsse von
Der Widerspenstigen (Libertine)
J ack trug die Teller in die Küche und stellte sie in die Spüle. Mrs Williams würde sich wahrscheinlich am Morgen darum kümmern. Er konnte sie ruhig stehen lassen. Doch er drehte das heiße Wasser auf, drückte einen Klecks scharf nach Zitrone duftenden Geschirrspülmittels in die Schüssel und tauchte die Hände in das Seifenwasser. Hier konnte er wenigstens ein sichtbares Ergebnis erzielen, etwas verändern. Geschirr abzuwaschen war ein Indiz für eine zivilisierte Welt, ein todsicheres Mittel gegen Existenzängste.
Abgesehen davon wollte er ein wenig Zeit gewinnen, ein wenig Abstand zwischen sich und Cate bringen.
Er
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