Debütantinnen - Roman
seiner Vorstellung, anders als das unbestimmt klassiche Schönheitsideal, das er ihr, ohne es zu wissen, angedichtet hatte. Ihre Brustwarzen, aufgerichtet in der Hitze, hatten etwas unmittelbar Erotisches. Seine keusche, romantische Phantasie wurde infiziert von pornografischen Sehnsüchten − lecken, saugen …
Er wandte dem Haus den Rücken zu und zwang sich, über den Rasen zu gehen, dorthin, wo die Straße auf eine Wiese voller Schafe stieß. Ein malerischer Anblick, der Himmel von einem makellosen zarten Blaugrau über einem silbernen Streifen Meer.
Sie hatte es wieder getan − ihn so gründlich umgehauen, als hätte sie ihm den Stuhl unter dem Hintern weggetreten. Er blieb taumelnd zurück, rang mit Begierden, die lange geschlafen hatten. Und er verabscheute es. So grässlich er die stumpfe Monotonie seiner Existenz seit dem Tod seiner Frau auch fand, so unerträglich war es ihm, welche Wirkung sie auf ihn hatte − wie Rauschgift, süchtig machend. Sie ließ ihn nach mehr von dem verlangen, was er doch nicht haben konnte. Einen Augenblick lang erwog er die Möglichkeit, dass sie gewusst hatte, dass er dort stand, dass sie sich absichtlich vor ihm zur Schau gestellt hatte.
Das war natürlich dumm.
Trotzdem drängten sich die Bilder.
Sieh dir die Schafe an, verdammt!
Du hast hier eine Arbeit zu erledigen, ermahnte er sich und trank seinen Kaffee aus. Morgen sind wir fertig, und dann fahren wir zurück nach London. Und dann kehrt sie wahrscheinlich zu ihrem reichen Liebhaber nach New York zurück.
Die Erinnerung an sie, nackt und nichtsahnend am offenen Fenster, blitzte wieder auf. Er verdrängte sie entschlossen.
Er konnte ihr niemals vertrauen.
Diese junge Frau hatte in seinem Leben nichts verloren.
*
* * *
5 St. James’s Square
London
12. September 1926
Meine liebste, allerliebste Wren,
ich bin unglaublich dankbar für Deine wunderbaren Nachrichten und vor allem dafür, dass Du mir verziehen hast! Ich hätte nicht leben können in dem Wissen, dass ich Dir Schmerz zugefügt habe, und jetzt zu hören, dass Du verlobt bist, ist absolut, absolut sensationell! Ein Saphirring mit Diamanten! Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen! Muv ist sicher sehr erleichtert. Aber, du meine Güte, Du bist wahrlich ein stilles Wasser. Was ist aus Deinem schüchternen Baronet geworden? Hast Du ihn als Tarnung benutzt, um heimlich mit einem anderen anzubändeln? Du hast die ganze Sache wirklich in Rekordzeit über die Bühne gebracht. Ist er auf die Knie gesunken? Hat er Dich geküsst? Ich stelle mir vor, dass die Nässe nicht so störend ist, wenn man einen Mann küsst, den man liebt. Wie oft? Bist Du in ihn verliebt? Du musst mir unbedingt erzählen, wie Schottland ist und wie seine Familie ist und ob sie schrecklich vornehm sind und ob Muv etwas Lächerliches sagt oder tut. (Einzelheiten, bitte.) Ich hoffe, sie haben Dir ein anständiges Schlafzimmer gegeben, und seine Mutter ist nett zu Dir.
Es tut mir schrecklich leid, dass ich Dich verpasst habe, aber nicht Ihre Heiligkeit. Es ist schlimm genug, wieder am St. James’s Square zu sein, allein mit dem Gatten. Er tut nichts anderes, als herumzustampfen und mich finster anzublicken und mir Vorträge zu halten aus einem Buch mit dem Titel Die große Bedrohung, in dem behauptet wird, die unteren Klassen wären bereit, die Zivilisation zu übernehmen, was durch eine Kombination aus augenblicklicher Klassenvermischung und schlechten Manieren rasch zum Ende der Zivilisation führen würde. Es war wahrscheinlich unklug, ihm zu erzählen, ich wäre der Meinung, die Zivilisation würde sowieso überschätzt, denn der arme Kerl scheint solche Sachen sehr ernst zu nehmen. (An seiner Stirn ist eine einzelne Vene, die heftig pocht, wenn er sich echauffiert. Sie hat sich eindeutig purpurrot verfärbt.) Er hat mich einen »schlechten Samen« genannt und ist in seinen Club gegangen, und sein kostbares Buch hat er mitgenommen und wütend vor sich hin gemurmelt. Das Abendessen wird wahrscheinlich unerträglich.
Oh, mein Liebes! Ich muss ein schändliches Geständnis ablegen … Erinnerst Du Dich daran, dass Mum den Sohn des Gatten, Nick, abkommandiert hat, um mich von Paris nach Hause zu holen? Also, das hat er getan. Und er ist weder dick, noch ähnelt er dem Gatten in irgendeiner Hinsicht. Tatsächlich ist er sogar überraschend stattlich und charmant − so sehr, dass es mir, als er sich mir in der Lobby des Bristol Hotel näherte, gar nicht in den Sinn kam, er könnte es
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