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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Highgate, doch das war vorbei. Dann gab es noch das zugige Atelier voller Leinwände über einer Reinigung in Alphabet City in New York. Doch auch das war kein Zuhause. Es war nicht einmal eine Zuflucht.
    Zu Hause war etwas anderes: ein Gefühl für sich selbst, eine Mischung aus Klarheit und Hoffnung auf das, was man werden konnte. Cate starrte an der prächtigen georgianischen Fassade von Endsleigh hinauf. Vielleicht hingen die Menschen deswegen so am Land und an Häusern, weil sie ein Gefühl von Beständigkeit und Stabilität vermittelten. Doch selbst Endsleigh mit dem Charme vergangener Jahrhunderte barg Geheimnisse und ungelösten Fragen, Risse, durch die die wahre Identität seiner Bewohner in schwer fassbare Dunkelheit sickerte.
    Es erinnerte sie an eine Arbeit, die sie in der Schule gemacht hatte, ein riesiges Faltbild von einem Puppenhaus, mit Bleistift und Tinte gezeichnet und fast zwei Meter hoch. Auf den ersten Blick war es ein sehr traditionelles viktorianisches Gebäude, was jedoch bei genauerer Betrachtung nicht ganz stimmte. Eine pittoreske und charmante Welt, die heimgesucht wurde von Treppen, die nirgendwohin führten, Zimmern, deren Fenster vernagelt waren, Türen ohne Klinken. Unbeantwortete Post stapelte sich und blockierte die Haustür, auf Porzellantellern schimmelte Teegebäck, das nie abgeräumt worden war, ein Loch im Teppich zeugte von einer verirrten Zigarette, Fische trieben im Goldfischglas tot an der Wasseroberfläche − alles überwacht von steifen, erlesen gekleideten Puppen, die mit leerem Blick ins Nichts starrten und untätig darauf warteten, dass jemand über ihre nächsten Schritte entschied. Cate hatte das gruselige Gefühl, in einer solchen Albtraumwelt zu leben − nur dass diese hier nicht ihre Schöpfung war.
    Mit dem Bild hatte sie eine Auszeichnung gewonnen. Doch all das schien zu einem anderen Leben zu gehören. Wie lange war es her, dass sie irgendetwas Originelles geschaffen hatte? Konnte sie es überhaupt noch? Oder war ihre Phantasie vollkommen verkümmert? Dabei war sie fast zufällig in ihre neue Karriere hineingestolpert. Es gab keine lange Diskussion, keine echte Debatte oder gar eine Zeit, in der sie sich zurückgezogen hatte, um darüber nachzudenken. Wie viele der prägenden Augenblicke ihres Lebens war es kaum mehr als ein Wanken gewesen, ein Fügen in das, was in diesem Augenblick das Einfachste zu sein schien.
    »Er ist schon lange im Geschäft und genießt einen ausgezeichneten Ruf«, hatte Paul ihr erklärt und ihr Dereks Adresse auf die Rückseite eines Briefumschlags gekritzelt. »Zumindest kann er dich Leuten vorstellen. Man weiß nie.«
    Sie hatte ihn angerufen, sobald sie aus dem Flugzeug gestiegen war, und war, noch unter Jetlag leidend, die Upper East Side hinaufgestolpert, den Briefumschlag in einer Hand und ihre Mappe in der anderen, begierig, pünktlich zu sein und einen guten Eindruck zu machen.
    Dereks Laden war winzig, doch wie alles, was mit seinem ästhetischen Gefühl zu tun hatte, präzise definiert. So etwas hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal in London. Es besaß eine feudale Dekadenz. In diesem Laden war immer Abend, alles auf ewig in trübes Licht getaucht, das Kerzenlicht nachempfunden war und Kanten weich machte und Makel übertünchte. Die Wände waren mit schwarzem Seidentaft bespannt, die Luft parfümiert von berauschenden Zedernkerzen, aus Paris importiert, die nackten Holzdielen auf Hochglanz poliert. Er hatte nur wenige Stücke, doch diese waren exquisite, einmalige Anschaffungen. Sein Ruf gründete darauf, dass er Antiquitäten von einzigartiger Qualität und Seltenheit beschaffte. Im Fenster stand ein einzelner Empire-Stuhl aus Ebenholz, von oben von einem rosafarbenen Scheinwerfer beleuchtet. Passanten blieben wie angewurzelt stehen, gefesselt von seiner Schönheit und Symmetrie, dem schockierend guten Geschmack, den Stuhl ganz allein auszustellen. Derek hatte ein Auge für Empire-Stücke. Mit ihrer übertriebenen Opulenz und ihren narzisstisch wohltuenden, klassischen Proportionen schienen sie am besten zu den Persönlichkeiten seiner besonderen Klientel zu passen.
    Sein pièce de résistance war ein großer konvexer Spiegel aus dem achtzehnten Jahrhundert, dessen kunstvoller vergoldeter Rahmen aus zierlichen goldenen Spatzen und verschlungenen Efeuranken gestaltet war, die hell vor der tiefschwarz schimmernden Wand funkelten. Derek sagte, es verginge keine Woche, ohne dass ihm jemand ein Angebot dafür machte, doch

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