Debütantinnen - Roman
Joint gereicht. Sie hatte ihn genommen, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Brüste zu bedecken, hatte sich träge umgedreht und kräftig an dem Joint gezogen. Hatte die Weltgewandte gespielt. Er hatte ihren Brüsten keinerlei Beachtung geschenkt, sondern hatte sich mit geschlossenen Augen auf den Rücken gerollt.
Doch sie hatte es gewusst.
Später, am frühen Abend, frisch geduscht und parfümiert … »Ich habe meine Brille am Strand vergessen. Ich gehe sie rasch holen.«
»Ich gehe«, bot Paul sich an.
Sie wandte sich ihm zu. »Du weißt doch nicht mal, wo sie ist«, fuhr sie ihn an.
Er warf ihr einen Blick zu. Einen Blick, den sie nie vergessen würde.
Dann stand er auf, schnappte sich die Autoschlüssel. »Ich mache eine kleine Spritztour«, war alles, was er sagte, bevor er ging.
Und sie ließ ihn gehen. Es war ein Wendepunkt gewesen, sie hatten es beide gewusst. Und doch war es, als wäre sie von etwas Mächtigerem getrieben worden, einem Zwang, den sie nicht kontrollieren konnte.
Ryan war draußen gewesen, hatte auf den Stufen gesessen und geraucht.
Rachel war an ihm vorbeigegangen. »Ich habe meine Brille vergessen.«
Das war alles, was sie sagte. Alles, was sie sagen musste.
Er war aufgestanden.
Sie war weitergegangen, ein paar Schritte vor ihm.
Er war langsam, träge hinter ihr hergeschlendert.
Die Dämmerung brach herein; bis auf einen Mann, der mit seinem Hund spazieren ging, war der Strand einsam und verlassen.
Es gab eine halb offene Grotte, umgeben von einer hohen, engen Mauer aus Fels. Als sie sie erreichte, war er dicht hinter ihr, schritt schneller aus, drängender. Die köstliche, gefährliche Spannung, die nachmittags am Strand geherrscht hatte, war verflogen. Sobald sie sich umdrehte, begrapschte er sie. Sie stieß sich den Kopf an der Klippe, ihr Haar verfing sich in dem rauen Stein. Und dann war er auch schon in ihr, zerriss den Stoff ihrer Bluse. Seine Finger gruben sich in ihre Oberschenkel. Er war größer als Paul, es tat weh. Sie wollte sich befreien, doch er hielt sie fest und pumpte resoluter. Und plötzlich wurde ihr mit erschreckender Klarheit bewusst, was sie hier tat, wie schockierend und inzestuös das war, was hier geschah.
Sie hörten Anna ihre Namen rufen. Ihre Stimme klang so, als würde sie weinen. Sie suchte ihren Mann … ihre Schwester.
Rachel wollte antworten, doch er hielt ihr mit der Hand den Mund zu und machte weiter.
Und dann kam er; es schien ewig zu dauern, und es lief ihr an der Innenseite der Beine hinunter.
Rachel zuckte wieder zusammen, die Erinnerungen brannten voller Scham und Selbstverachtung, waren dreißig Jahre später noch so frisch, als wäre es erst am Tag zuvor passiert.
Katie war allein im Haus zurückgeblieben. Als sie sie fanden, blutete sie und weinte. Sie hatte sich an irgendetwas den Kopf gestoßen. Zum Glück war nicht viel passiert. Gott sei Dank war ihr nichts Schlimmeres zugestoßen.
Rachel war nicht schwanger geworden.
Doch sie hatte Herpes bekommen. Eine Krankheit, die sie Paul erklären musste, mit allem, was dies bedeutete. Eine Krankheit, die sie ihr ganzes Leben nicht mehr loswerden würde. Paul war für ein paar Wochen ausgezogen, man hatte über Scheidung gesprochen. Doch selbst als er zu ihr zurückkam, war es jedes Mal, wenn sie sich liebten, verdorben.
Nach einer Weile hörten die Leute auf zu fragen, wann sie denn eine Familie gründen würden. Nach einer Weile hörten sie auch auf zu fragen, warum.
Rachel stand auf und warf das ungegessene Sandwich in den Abfalleimer.
Anna hatte es nie erfahren.
Oder?
Rachel konnte sich nie sicher sein, was Ryan sagen würde, wenn er betrunken war, was für bittere und grausame Wahrheiten er ihr womöglich entgegenschleuderte. Es war eine Wunde, die nie heilte, ein Geheimnis, dessen Gewicht ihr manchmal unerträglich war.
Diese Besessenheit jenes Sommer hatte sie für immer verändert. Danach konnte sie die Welt nie wieder mit demselben überlegenen Blick betrachten, konnte ihre Schwester nie wieder verachten, konnte nie wieder einen Streit mit Paul gewinnen. Sie war wie eine biblische Figur in Ungnade gefallen, und lebte seither im ewigen Fegefeuer. Jetzt beugte sie sich nicht so sehr anderen, als vielmehr dem Wissen um ihre eigene Fehlbarkeit, um mit einem Rest von Würde oder Charakter den Verlust ihres Traums zu überwinden.
Als sie den Park verließ, musterte sie die Gesichter der Menschen, an denen sie vorbeikam. Hatte einer von denen, die sich an diesem
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