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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gelebt.«
    »Spanien ist in Europa, meine Liebe. Und alles hinter der Oxford Street und vor dem St. James’s Park ist Mayfair, egal ob es ein Penthouse ist oder eine Parkbank.«
    Seine Selbstsicherheit war entwaffnend. Sie starrte ihn an, unfähig, gegen seine Logik etwas auszurichten. Hatte sie wirklich so eine glamouröse Kindheit und Jugend gehabt und es schlicht nur nicht mitbekommen?
    »Das nennt man umdeuten«, erklärte er ihr. »Wenn man das Negative hervorhebt, bekommt man genau das zurück. Du bist jetzt in Amerika. Die Amerikaner lieben den Erfolg und bewundern gesellschaftliche Aufsteiger. Sie feiern sie. Mit englischer Bescheidenheit kommst du hier nicht weit, glaub mir.«
    Damals hatte sie es noch nicht gemerkt, aber unter ihren Füßen hatte sich ein Riss aufgetan. Anfangs war es aufregend, voller Hoffnung und zahlloser Möglichkeiten. Zum ersten Mal in ihrem Leben dominierte ihre Lebensgeschichte nicht ihre Erfahrung ihrer selbst. Doch unkontrolliert verbreiterte der Riss sich zu einem Abgrund, zu einem gähnenden Loch zwischen dem, was sie wirklich war, und dem, was sie vorgab zu sein. Irgendwann wusste sie nicht mehr, was real war, und stellte fest, dass sie ihrer Wahrnehmung nicht mehr trauen konnte.
    Jetzt ging ihr durch den Kopf, dass an ihrer Lebens geschichte eigentlich überhaupt nichts auszusetzen war und es sicherlich nichts gab, was sich zu verbergen lohnte. Sie war nur traurig und − und das war vielleicht am schlimmsten − ganz gewöhnlich. Es war die ganz gewöhnliche Geschichte einer gestörten Familie, die so häufig vorkommen, dass »normale« Familien dagegen schon wieder eine Seltenheit sind.
    War die Lebensgeschichte der Blythe-Schwestern auch »umgedeutet« worden? Hatten sie gekämpft mit der Frage, was und wer sie eigentlich waren, in Gedanken, in der Realität?
    Cate rieb sich die Augen und richtete den Blick auf die große Uhr über dem Empfangstresen.
    Zeit für einen Kaffee.
    Sie nahm einen Stapel Bücher mit und eilte auf der Suche nach einem Café hinaus in den hellen Sonnenschein der Marylebone Road.
    *
    Rachel saß mit ihrem Thunfischsandwich auf einer Bank in den Gray’s Inn Gardens, einer der größten öffentlichen Grünflächen in London − hübsch und symmetrisch angelegt, Kieswege durchschnitten gepflegte Rasenflächen, gesäumt von Anwaltskanzleien in eindrucksvollen Backsteinhäusern. Schon waren überall Büroangestellte zu sehen, die das Beste aus dem unerwartet guten Wetter machten und sich mit ihrem Mittagsimbiss im kühlen Schatten der Platanen niederließen.
    Rachel trank einen Schluck kalte Diätcola. Wie Anna wohl mit den Hitze in Spanien zurechtkam? Automatisch tasteten ihre Finger nach der Haftnotiz mit Annas Telefonnummer, die sie in die Tasche ihres Kleids gesteckt hatte, bevor sie das Büro verließ. Das war natürlich etwas anderes, oder? England war nicht gemacht für extremes Wetter. Auf dem europäischen Festland war alles leichter.
    Sie wickelte ihr Sandwich aus, doch es blieb unberührt auf ihrem Schoß liegen. Stattdessen sah sie einem jungen Paar zu, das händchenhaltend nach einem ruhigen Fleckchen suchte. Schließlich ließen die beiden sich hinter einer hohen Wand aus Strauchhortensien nieder und waren bald in eine enge Umarmung versunken, jeden Gedanken an Essen vergessend.
    Plötzlich fühlte Rachel sich alt, unsichtbar und allein.
    Die Erinnerungen, denen sie am Vormittag tunlichst aus dem Weg gegangen war, waren wieder da. Nur dass sie jetzt nichts hatte, um sich abzulenken.
    War es seine Schuld? Oder ihre?
    Ein Teil von ihr wollte unbedingt irgendjemandem die Schuld zuweisen. Doch der größte Teil ihres Grolls galt Anna, und das war verrückt. Natürlich wusste Rachel, warum.
    Katie. Sie war damals noch klein gewesen. Ein Krabbelkind. Vollkommen. Makellos.
    Wieder überkam sie Scham.
    Es war zu einer Zeit gewesen, als Ryan, Katies Vater, als Roadie für die Stones gearbeitet hatte. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie er den Job bekommen hatte, doch in dieser kurzen Zeitspanne hätte er, so wie er sich aufführte, genauso gut einer von ihnen sein können. Er besaß die Arroganz und den Glamour eines Rockstars. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er auch Geld. Er sprach davon, in die Plattenindustrie zu gehen. Mick sähe, dass er jede Menge Talent hatte, und wolle ihm helfen. Er nannte ihn Mick, als würden sie sich ständig unterhalten und zusammen abhängen. Es war von Einladungen die Rede, das Wochenende in Jaggers

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