Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
geklappt.«
»Natürlich hat es geklappt. Du bist doch hier angekommen, oder nicht? Wenn du noch ein Mensch wärst, hättest du das nicht gekonnt.«
»Ja, aber ...« Merkwürdig verlegen angesichts dessen, was ich im Begriff war zu sagen, zögerte ich. Dabei war es verrückt, schließlich wollte ich überhaupt keine Wassernixe sein. »Ich habe keine Schwanzflosse bekommen. Obwohl ich mir Mühe gegeben habe. Ich meine, ich wollte mich verwandeln, damit ich dir folgen kann, und meine Kiemen haben auch angefangen zu arbeiten, aber...«
»Das ist alles?«, fragte er ungläubig. »Mehr hast du nicht zu bieten? Ich bin keine Nixe, weil ich keine Schwanzflosse bekommen habe?«
»Du tust so, als wäre das nichts. Ich dachte, der Fischschwanz wäre das Hauptmerkmal einer Wassernixe.«
»Ist er auch. Aber jedes Wasserwesen bekommt seine Schwanzflosse zu einem anderen Zeitpunkt. Man kann sie sich nicht einfach herbeiwünschen. Das haben weiß Gott schon Heerscharen versucht, aber es funktioniert nicht.«
Er stöpselte das Fläschchen mit Desinfektionsmittel zu und stellte es beiseite. »Tempest, der Nixenschwanz wird das Letzte sein, was du bekommst, und es wird erst passieren, wenn du dich bewährt hast.«
»Mich vor wem bewährt habe?«
Er zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht: den Meeresgöttern, dem Universum, dem Schicksal ? Ich habe das selbst nie erlebt. Bei Selkies ist alles ganz anders.«
Einerseits wäre ich diesen Unterschieden gern auf den Grund gegangen, andererseits war ich vollkommen gebannt von dem, was er über Wassernixen gesagt hatte. »Bist du sicher? Das hat mir meine Mutter nie erzählt...«
»Schon, aber soweit ich das beurteilen kann, hat dir deine Mutter ein ganze Menge nicht erzählt, oder?«
Ich hatte den Angriff nicht kommen sehen, daher trafen mich seine Worte wie ein Schlag. Ich wollte widersprechen, ihm sagen, er solle meine Mutter aus dem Spiel lassen, aber Tatsache war, dass er recht hatte.
Meine Mutter hatte mich nicht darüber aufgeklärt, was auf mich zukam, hatte keines ihrer Versprechen gehalten, hatte nichts getan, um mir die Verwandlung - oder Nicht-Verwandlung - zu erleichtern. Was die Tatsache, dass ich mich hier unten befand, nur noch absurder machte.
Anscheinend standen mir meine Gedanken wieder einmal ins Gesicht geschrieben, denn Kona murmelte: »Weißt du, nur weil deine Mom dir bestimmte Dinge nicht erzählt hat, heißt das noch lange nicht, dass du ihr nichts bedeutest.«
»Stimmt, aber es heißt auch nicht, dass es sich umgekehrt verhält.«
Nun war die Reihe an ihm, aus dem Fenster zu starren und auf den Ozean zu schauen. Er klang sehr müde, als er sagte: »So einfach ist das nicht, Tempest. Im Augenblick ist die Lage hier unten sehr verzwickt und -«
»Stimmt, aber meine Lage ist auch verzwickt. Sie hat mir versprochen, zurückzukommen. Stattdessen hat sie es mir überlassen, mich allein mit diesem abgefahrenen Kram zurechtzufinden. Das hat mit Liebe nichts zu tun.«
»Vielleicht hat sie ihre eigenen Probleme, mit denen sie klarkommen muss.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich, wild entschlossen nicht lockerzulassen, bis er mir in die Augen sah.
»Es bedeutet, dass sich die Welt nicht nur um dich dreht.«
»Wie kannst du so was Blödes sagen? Das habe ich nie angenommen.«
»Nein. Aber im Bezug auf deine Mutter und ihre Welt empfindest du so.«
Stellte er sich absichtlich so dumm oder war er einfach nur verrückt? »Sie ist meine Mutter«, erwiderte ich. Was war daran so schwer zu verstehen? Bis zu einem gewissen Tag war sie die wichtigste Person in meinem Leben gewesen und am nächsten war sie verschwunden. Das ließ sich mit einem armseligen Brief nicht wiedergutmachen und als mütterliche Unterstützung zählte er schon gar nicht. Warum verstand Kona das nicht?
»Ich bin sicher, dass deine Mutter zu dir gekommen wäre, wenn es in ihrer Macht gestanden hätte, Tempest. Aber manchmal unterscheidet sich das, was man gerne tun möchte, erheblich von dem, was man tun muss. Wenn ich als Mitglied der Herrscherfamilie meines Clans irgendwas gelernt habe, dann das. Das kannst du mir glauben.«
Seine Worte schrammten wie rasiermesserscharfe Klauen über meine ohnehin schon wunden Gefühle. Ich fühlte mich entblößt, als wäre mein komplettes Innenleben zu seiner persönlichen Belustigung nach außen gekehrt.
Die unmöglichen Klamotten, die ich trug, machten die Sache natürlich nicht besser. Ich hockte mich aufs Bett und zog schützend die Beine an
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