Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
gesagt hast?«, wechselte ich abrupt das Thema.
»Sicher. Da geht es in mein Badezimmer.« Er zeigte auf eine Tür zur Linken.
»Danke.«
»Keine Ursache. Ich schaue mal, ob eine meiner Schwestern etwas hat, das du anziehen kannst.«
»Schwestern hast du auch?«
»Fünf.«
Entgeistert sah ich ihn an. »Ihr seit zu neunt?«
»Jep.«
»Und keine Zwillinge dabei?«
»Nö.«
»War deine Mutter nicht ganz bei Trost?« Das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen, aber mal ehrlich! Neun Kinder?
Er lachte. »Nein, nur wild entschlossen, ihren bevölkerungspolitischen Beitrag zur Erhaltung unserer Population zu leisten. Es gibt heute viel weniger Selkies als früher.«
»Dann seid ihr also eine bedrohte Art?«
»Art würde ich uns nicht gerade nennen. Eher ein bedrohtes Volk.«
»Ja, richtig.« Würde ich jemals aufhören, in seiner Gegenwart ins Fettnäpfchen zu treten? Unwahrscheinlich, Tempest, sagte ich mir. Sehr unwahrscheinlich.
Ganz zu schweigen davon, dass Kona den Mund wieder zu jenem Grinsen verzogen hatte, bei dem meine Hormone Purzelbäume schlugen. Ich musste hier weg und zwar schnell. Ehe ich irgendetwas tat, das ich wahrscheinlich bereuen würde. »Ich gehe jetzt duschen. Bedanke dich bei deiner Schwester für die Klamotten.«
»Mache ich.« Aber er rührte sich nicht von der Stelle, sondern folgte mir mit seinen unergründlichen Augen, bis ich die Badezimmertür hinter mir zuzog.
Puh! Ich lehnte mich kurz an die Tür und versuchte mich zu sammeln. Dieser Typ müsste ein Warnschild tragen. Oder noch besser drei.
Ich hatte vorgehabt, nur kurz unter die Dusche zu springen, doch als ich erst einmal unter dem heißen Wasserstrahl stand, brachte ich es nicht über mich, wieder aufhören. Es fühlte sich einfach zu gut an, vor allem als das Wasser auf die verknoteten Muskeln in meinen Schultern und im oberen Rücken prasselte.
Während ich mich berieseln ließ, fragte ich mich abermals, wie weit ich wohl geschwommen war. Ich hatte mein ganzes Leben damit verbracht, aufs Meer hinauszupaddeln, um die nächste Welle zu erwischen, daher gab es kaum eine andere Muskelpartie in meinem Körper, die so gut in Form war wie meine Schultermuskeln. Wenn mein nächtlicher Schwimmausflug sie so strapaziert hatte, dass sie wehtaten, musste ich sehr lange unterwegs gewesen sein.
Noch schlimmer als meine schmerzenden Muskeln waren die ausgefransten Schnittwunden, die ich am ganzen Körper hatte. Einige von ihnen waren winzig und stammten von aufgewirbelten Muscheln und anderen Kleinteilen, andere hingegen waren riesig, wie der lange, schmerzhafte Riss auf der Außenseite meines linken Oberschenkels. Nach wer weiß wie vielen Stunden im Meerwasser konnte ich nur ahnen, was alles in die Wunden gedrungen war.
Ich gab mir große Mühe, die Verletzungen mit Seife auszuwaschen. Es brannte höllisch, vor allem an den Fußknöcheln, die aussahen, als ob mir wirklich jemand die Haut mit den Krallen heruntergerissen hätte. Das rohe, nässende Fleisch sah widerlich aus. Noch etwas, was ich der Wasserhexe zu verdanken hatte ...
Mit einem Seufzer des Bedauerns drehte ich das Wasser ab und griff nach einem der flauschigen blauen Handtücher, die neben der Dusche auf einem Halter hingen. Die Schmerzen hatten mich erfolgreich vom Nachdenken abgehalten, doch beim Abtrocknen kamen mir unwillkürlich Konas letzte Worte wieder in den Sinn.
»Ich habe hier draußen ein paar Klamotten für dich, Tempest«, drang seine Stimme durch die Wand, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich die Dusche abdrehte.
»Super.« Ich öffnete die Tür gerade weit genug, um sie ihm aus der Hand zu nehmen, und beeilte mich dann, die kurze Jeans und das Trägertop anzuziehen. Es dauerte länger als gedacht, weil ich Mühe hatte, die blöden Knöpfe der Shorts zu schließen. Konas Schwester musste erheblich kleiner sein als er. Selbst das Top war für meinen Geschmack ein wenig zu eng und zu weit ausgeschnitten. Allerdings hatte ich keine große Wahl: Konas Bademantel roch inzwischen nach ertrunkener Wassernixe und das war beileibe kein schöner Geruch.
Als ich wieder zu ihm hinausging, war meine Laune auf dem Nullpunkt. Die Shorts waren so eng, dass ich das Gefühl hatte, sie würden mir die Blutzufuhr zum Hintern abschneiden; außerdem war ich am Verhungern und der größte Teil meiner Fragen immer noch unbeantwortet. Stattdessen hatte alles, was ich bislang von ihm erfahren hatte, mir noch mehr Stoff zum Nachdenken geliefert und noch mehr
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