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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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so daß ihr Zittern allmählich nachließ. Sie warf einen
Blick auf ihre Hand, kniff die Augen zusammen, weil das Licht so schummrig war. Das Taschenmesser hatte einen kurzen Schnitt hinterlassen, der mit getrocknetem Blut und Handschuhfusseln dekoriert war. Ein Pflaster würde genügen.
    »Warum drei Jahre warten, um sich zu rächen?« fragte Mitch.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hat er solange gebraucht, bis er den Plan ausgetüftelt hatte – oder bis er ausgerastet ist.«
    »Er hat an dem Abend, an dem Josh verschwand, eine Klasse in St. Elysius unterrichtet.«
    »Womit wir wieder beim ach so naheliegenden Komplizen wären.« Im Fernseher über der Bar vollführte Cliff Claven gerade einen Veitstanz, als hätte ihn jemand an ein Stromkabel angeschlossen. Die Zigarette der Barfrau hüpfte vergnügt in ihrem Mundwinkel auf und ab. Megan fing wieder an zu zittern und nahm noch einen kräftigen Schluck von ihrem Irish Coffee.
    »Du warst auch bei Fletcher, Chief«, sagte sie streng. »Warum spielst du jetzt des Teufels Anwalt bei mir?«
    »Weil es mir gefällt.«
    »Abgesehen von deinen angeborenen perversen Neigungen, darf ich doch wohl annehmen, daß du einen Grund hattest, dort zu sein.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab nur rumgeschnüffelt. Fletcher ist von der Kirche besessen. In drei der Nachrichten wird Sünde erwähnt. Josh mochte seinen Religionsunterricht nicht.«
    »Wer kann ihm das verdenken, mit Albert Fletcher als Lehrer?« Megan schüttelte sich. »Albert Fletcher würde sogar unseren Bischof das Fürchten lehren.«
    »Ich hab mir noch mal die Aussage angesehen, die er bei Noogie gemacht hat an dem Abend, als Josh verschwand«, sagte Mitch. Er suchte sich eine Erdnuß aus dem Korb, der auf dem Tisch stand, knackte sie mit der Hand und warf sich die Nüsse in den Mund. »Es gibt nichts, was Verdacht erregen könnte.«
    Oberflächlich war tatsächlich nichts an Albert Fletcher auffällig, der seit seiner Pension als aktives Mitglied der Gemeinde galt. Nicht gerade das, was man im allgemeinen als Profil eines Kinderschänders bezeichnen würde – dennoch gab es genauso viele Punkte, die exakt in dieses Schema paßten. Fletchers Pflichten in der Kirche brachten ihn in die Nähe von Kindern. Durch seine Autorität in St. Elysius war er für groß und klein gleichermaßen eine Vertrauensperson. Aber eine solche Vertrauensposition würde wohl kaum von ihm als erstem mißbraucht.

    »Hat er Olie gekannt?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die beiden in denselben Kreisen verkehrten, aber wir werden es überprüfen. Morgen früh will ich selbst mit ihm reden.« Am liebsten hätte er Fletcher gleich heute nacht aufs Revier zitiert, aber so was lief leider anders. Er konnte den Mann nicht einfach wegen einer Ahnung und drei Jahre alten Gerüchten einbuchten. Keiner hatte ihn in Zusammenhang mit Josh erwähnt, außer durch seine Stellung in der Kirche. Vergangene Woche erwähnte niemand irgendwelche verdächtigen Vorkommnisse in Fletchers Haus. Mitch hatte trotzdem für alle Fälle einen Mann postiert, der das Haus die ganze Nacht beobachtete.
    Er zog seine Brieftasche heraus und warf ein paar Dollarscheine auf den Tisch. Megan folgte seinem Beispiel. Die Barfrau watschelte aus ihrer Theke, um die Beute einzustreichen. »Schaut mal wieder rein«, rief sie ihnen nach. Ihre Stimme klang wie Louis Armstrong mit einer bösen Erkältung.
    Als sie auf den Gehsteig hinaustraten, verschlug es Megan den Atem vor Kälte. Nicht einmal die Wärme des Whiskeys konnte verhindern, daß ihre Zähne wieder anfingen zu klappern.
    »Jesus, Maria und Joseph«, stammelte sie und kramte ihre Wagenschlüssel aus der Handtasche. »Wenn Josh nicht wäre, würde ich hoffen , daß sie mich feuern. Für solche Lebensbedingungen sind Menschen nicht geschaffen.«
    »Abhärten oder untergehen lautet die Parole, O’Malley«, sagte Mitch ohne eine Spur von Mitleid.
    »Wenn ich noch härter werde, prallen Kugeln von mir ab«, konterte sie und rutschte hinter das Steuer ihres Lumina.
    Sie begann das Ritual, den Motor zum Leben zu erwecken und sah Mitch nach, wie er in den Explorer stieg. Die Straßen von Deer Lake waren menschenleer, das Blue Goose der einzige offene Laden. Als er wegfuhr, fühlte sie sich mit einem Mal innerlich leer, als wäre sie das einzige menschliche Wesen auf diesem Planeten.
    Es gab Schlimmeres, als allein zu sein. Aber während sie da in der kalten, dunklen Nacht saß, in der ein Kind vermißt wurde und

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