Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Kinder?«
Kommt drauf an, wen Sie fragen, dachte er, behielt aber die Antwort für sich. Die Beichte war etwas für die Stammgäste von St. Elysius, nicht für supergescheite, profithungrige Amateure, die nicht dazugehörten.
McCoy interpretierte sein Schweigen als ein Nein. »Haben Sie Hannah und Josh schon kennengelernt?«
»Noch nicht.«
»Wieso das? Bei der Geschichte geht es doch um ihr Leben.«
»Da sind noch andere Leute beteiligt. Ich war bis jetzt mit dem Umfeld beschäftigt, habe versucht die Spieler kennenzulernen.«
»Wirklich?«
»Wenn Sie erwarten, daß ich jetzt sage, es schien mir nicht richtig, zu Hannah zu gehen, können Sie lange warten, Pater«, sagte er und fragte, wie viele Sünden Gott ihm anrechnen würde, weil er einen Priester belog.
Er war Hannah Garrison mit der Entschuldigung aus dem Weg gegangen, daß die Story eigentlich mehr mit ihrem Sohn zu tun hatte. Es ging um das Gerichtssystem und die Cops und Garrett Wright und Dennis Enberg. Aber im Kern ging es um einen kleinen Jungen. Einen achtjährigen Jungen, dessen ganzes Leben entwurzelt worden war.
Er hatte diese Geschichte gerade wegen der Parallelen ausgewählt, um sich zu zwingen, den Schmerz zu untersuchen und die Fragen auszuloten, während er seinen üblichen sicheren Abstand hielt . . . Und er war vor dem Kern, vor Josh, zurückgescheut. Josh, der acht Jahre alt war, ein Junge mit Zahnlücken und Sommersprossen, der gern Eishockey und Baseball spielte. Er erinnerte sich an das Bild in Pauls Büro – Josh in seiner Baseballuniform mit Paul, dem stolzen Vater, neben sich. Vor Sehnsucht krampfte sich sein Herz zusammen. Was zum Teufel machst du hier, Brooks?
Pater Tom erhob sich. »Machen wir eine kleine Spazierfahrt, Mister Brooks. Es gibt da jemanden, den Sie, glaube ich, kennenlernen sollten.«
Sie fuhren am Seeufer entlang, vorbei an Garrett Wrights Haus, vor dem ein paar unermüdliche Reporter warteten, dann weiter zum Haus der Kirkwoods, und bogen in die Einfahrt ein. Jay hatte schon einmal vor dem Haus geparkt, war dann aber wieder weggefahren. In den wenigen Tagen, die seither vergangen waren, hatte sich nichts verändert. Die Schneeburg auf dem Rasen vor dem Haus war immer noch halbfertig. Er fragte sich, ob Josh sie je fertigbauen würde oder ob das, was er durchgemacht hatte, ihn so verändert hatte, daß ihm etwas so Einfaches und Kindisches wie eine Schneeburg für immer unwichtig erschien.
Pater Tom stieg aus dem Cherokee. Jay warf einen flüchtigen Blick auf seinen kleinen Kassettenrecorder, der auf der Ablage zwischen den Sitzen lag, und ließ ihn dort liegen.
Sie gingen zusammen die Einfahrt hoch. Jay sog schweigend die Stimmung dieses Ortes ein, die Details. Das Haus war das letzte in der Reihe. Es sah komfortabel aus, wie ein Ort, an dem man eine Familie gründen konnte. Die Aussicht von der Vordertreppe auf die Straße und die Nachbarhäuser war eingeschränkt, behindert durch die angebaute Garage. Man hatte Aussicht auf den See und die Bäume, die das Ufer säumten. Durch die Spitzen der kahlen Äste und über die gefrorene Fläche hinweg konnte man gerade noch die Gebäude von Harris College erspähen.
Auf dieser Treppe hatte man Josh Kirkwood vor vier Nächten abgesetzt. Allein. Bekleidet mit einem gestreiften Schlafanzug. Seine Mutter hatte niemanden gesehen, auch keinen Wagen gehört. Garrett Wrights Haus lag nur ein Stück die Straße hinunter, aber bis jetzt waren keinerlei Beweise dafür gefunden worden, daß Josh je in diesem Haus gewesen war. Karen Wright hatte sich in jener Nacht unter Bewachung im Fontaine-Hotel aufgehalten.
Wer hatte ihn zurückgebracht? Todd Childs? Christopher Priest? Oder war Wrights Komplize jemand, der so anonym war, daß sie oder er sich frei in der Stadt bewegen konnte, unerkannt, unbeobachtet, unverdächtig? Und was war die Verbindung zu Wright? Was war die Verbindung zu den Leuten, die in diesem Haus wohnten?
Hannah Garrison öffnete die Tür, ein Lächeln brachte ihr Gesicht zum Leuchten, als sie Pater Tom sah.
»Sie haben wieder Ihre Handschuhe vergessen«, tadelte sie. »Wenn Sie sich nicht irgendwann die Finger abfrieren, ist es ein Wunder.«
»Na ja, ein Wunder würde zumindest mein Ansehen beim Bischof heben.«
Hannah war während der qualvollen Tage die Unauffällige gewesen, sie hatte sich im Hintergrund gehalten, während ihr Mann sich den Suchmannschaften angeschlossen und der Presse zur Verfügung gestanden hatte. Jay hatte jedoch ihr einziges
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