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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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die Zukunft gedacht. Wie sie ihn lieben, ihn erziehen, ihn beschützen würde. Und was für ein großartiger junger Mann er werden würde, ausgestattet mit ihrem Pflichtgefühl und Pauls Sensibilität und einer soliden Grundlage von Liebe und Stabilität.
    Sie sah sich im Zimmer um, nahm die vertraute Umgebung wahr. Ein Freund hatte die Wände bemalt, an jede Wand das Bild einer anderen Sportart. Auf dem kleinen Schreibtisch zwischen den beiden Fenstern türmten sich Bücher und Spielzeugfiguren und die Fotoalben, die sie hergebracht hatte, als Josh vermißt wurde, als ob die Konzentration auf die Erinnerung an glückliche Zeiten ihn wie einen Geist heraufbeschwören könnte.
    Sein Rucksack lehnte am Nachttisch, die Klappe war zurückgeschlagen, damit er sein neues Notizbuch mit all den anderen Dingen, die er hineingepackt hatte, unterbringen konnte. Hannah rutschte vorsichtig darauf zu, ein Auge auf Josh gerichtet. Sie würde es nicht berühren, würde nicht dem überwältigenden Drang nachgeben zu sehen, was er in das Ringbuch, das sie ihm gegeben hatte, geschrieben hatte. Sie hatte versprochen, daß es ihm allein gehörte, daß er es mit niemandem teilen müßte, solange er nicht dazu bereit war. Sie wollte nur schnell einen Blick in den Rucksack werfen, um eine Vorstellung zu bekommen, was er da mit sich herumschleppte.
    Wenn sie wußte, was er mit sich herumtrug, um sich sicher zu fühlen, könnte sie vielleicht etwas tun, das ihm diese Sicherheit gäbe.
    Das Nachtlicht war zu schwach, um etwas genau betrachten zu können. Sie kniete sich hin, neigte ihren Kopf aus dem Licht, aber sie konnte nur das Notizbuch und den Stift erkennen, eins der Walkie-Talkies, die er zu Weihnachten bekommen hatte, und einen Fetzen hellen gestrickten Materials, das dahintersteckte. Eine Wollmütze oder ein Fäustling, leuchtend orange wie Jagdkleidung.
    Seltsam. Ein solches Kleidungsstück hatte es im Haus nicht mehr gegeben, seit Paul vor zwei Jahren seine, ach so männliche, Jägerphase beendet hatte. Sie hatten die ganze Ausrüstung für einen Ramschverkauf zugunsten des Debattierclubs gestiftet. Aber Josh trug ein Stück davon mit sich herum. Als wäre es ein kostbarer Besitz, ohne den er nicht leben konnte.
    Irgendwie wollte ihr das nicht in den Kopf. Sie hatte sich große Mühe gegeben, damit alles im Haus Josh so normal, so vertraut wie möglich erschien. Und jetzt fand sie etwas, das dort überhaupt nichts zu suchen hatte . . . Sie warf noch einen Blick auf Josh. Er seufzte im Schlaf und wandte sein Gesicht von ihr ab.
    Sie hörte einfach nicht mehr auf ihr Gewissen und griff nach dem Rucksack. Es konnte wichtig sein, daß sie wußte . . . Es konnte Joshs Vertrauen zerstören, wenn er aufwachte und sie sah.
    Wenn sie den Rucksack einfach ein bißchen ankippen könnte, einen besseren Blick erhaschen . . .
    Das Walkie-talkie verrutschte. Josh regte sich, murmelte, drehte sich auf die Seite und rollte sich dann unter der Decke zusammen. Hannah hielt den Atem an und zählte bis zehn, dann zog sie den Rucksack etwas näher zum Licht.
    Das Rippenmuster des Gestricks war jetzt erkennbar und die Ecke eines Flickens, der daran festgenäht war – irgendein Zeichen, ein Marken- oder ein Clubname, der sich über der Silhouette eines Rehs wölbte. Sie konnte ein paar Buchstaben ausmachen: PION.
    Campion.
    Angst durchzuckte sie, schlang sich um ihre Kehle, schnürte sich um ihr Herz. Campion.
    »Oh, mein Gott.«
    Ihr Verstand formte die Worte, aber sie wußte nicht, ob sie sie laut ausgesprochen hatte. Mit zitternder Hand griff sie in den Rucksack und packte den Stoff. Eine Wollmütze. Klein und abgetragen. Sie zog sie aus dem Beutel, und ihr Magen drehte sich um. Das Zittern wanderte die Arme hoch, über ihre Brust, bis ihr ganzer Körper zuckte, als ob riesige, unsichtbare Hände sie an den Schultern gepackt hätten. Sie wollte die Mütze fallen lassen, sie aus dem Haus werfen wie einen Kadaver, der von Maden wimmelte. Statt dessen hielt sie sie ins Licht und las die Aufschrift.
    Campion Sportsmen.
    Sie drehte das Futter nach außen. Auf dem Wäschezeichen stand ein einziges Wort, in Druckbuchstaben. DUSTIN.
TAGEBUCHEINTRAG
    Freitag, 28 . Januar 1994
    Wir haben einen raffiniert ausgeklügelten Plan . Tiefgründig und düster .
Schwarz und brilliant . Sie können uns nicht überlisten .
Weil ihr Verstand so klein ist .
Wir verachten sie .

23
    Josh saß in seinem Bett, die Arme um die Knie geschlungen, den Rücken an einen Eckpfosten

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