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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Arm.
    »Mama, Josh!« verkündete Lily und zeigte auf ihren Bruder.
    »Ja, Josh ist zu Hause. Er hat uns sehr gefehlt, was, Lily-Maus?«
    »Josh! Josh! Josh!« sang Lily, voller Euphorie über die Rückkehr ihres Bruders. Mit ihren achtzehn Monaten verehrte sie Josh. Er war immer wunderbar lieb zu ihr gewesen, süß, sanft, zärtlich. Er las ihr Gutenachtgeschichten vor und spielte mit ihr.
    Seit seiner Rückkehr nach Hause hatte er kein einziges Wort mit ihr gesprochen. Er ignorierte ihre Bemühungen, ihn in ihre Spiele hineinzuziehen. Er sah durch sie hindurch, als wäre sie gar nicht vorhanden. Glücklicherweise war Lily zu aufgeregt, um zu bemerken, daß ihr Bruder ihre Zuneigung nicht erwiderte. Es hätte Hannah das Herz gebrochen, wenn es da noch eine heile Stelle gegeben hätte.
    Als der Film zu Ende ging, setzte sie sich mit dem Baby auf dem Schoß auf die Couch. Lily drehte sich mit wirbelnden blonden Locken zu ihr um: »Mehr!«
    »Fragen wir doch Josh«, sagte Hannah und sah ihren Sohn an. »Josh, mein Schatz, möchtest du, daß wir den Film noch mal anschauen?«
    Er gab keine Antwort, sah sie nicht an. Er saß da, wie er schon seit einer Stunde saß, und starrte ins Feuer. Er hatte weder den Skizzenblock noch die Stifte berührt.
    Der Sozialarbeiter hatte gesagt, sie solle sie bereithalten, Josh zum Zeichnen ermutigen, in der Hoffnung, daß er seine Erlebnisse mit den Kidnappern durch seine Zeichnungen ausdrücken würde. Bis jetzt war das einzige Bild auf dem Skizzenblock jenes, das der Sozialarbeiter selbst gezeichnet hatte, um Josh zu verlocken, Schiffe versenken mit ihm zu spielen. Josh behielt seine Erfahrungen fest in sich verschlossen und seine Gefühle dazu. Abgesehen von der heftigen Reaktion auf seinen Vater
    hatte er auf nichts und niemanden reagiert.
    »Mehr, mehr, Mama!« krähte Lily.
    »Heute abend nicht, Schätzchen«, murmelte Hannah. »Wir schauen uns lieber was Ruhiges an, damit wir dann schlafen gehen können.«
    Lily protestierte, indem sie sich Barney nahm und auf ihren Lieblingsplatz hinüberrutschte. »Wo ist Daddy?«
    »Daddy übernachtet heute woanders«, erwiderte Hannah und beobachtete, ob Josh auf den Namen seines Vaters reagieren würde. Nichts.
    Sie war wütend auf Paul, weil er nicht da war, obwohl sie ihn eigentlich nicht im Haus haben wollte. Er hatte Josh schon einmal aufgeregt, sie wollte keine Wiederholung. Sie wollte auch nicht, daß die Kinder die Spannungen zwischen den Eltern mitbekamen.
    Trotzdem wollte ein törichter Teil von ihr, daß Paul seine Rechte als Vater verteidigte, Stellung bezog, um zu verhindern, daß sich ihre Ehe auflöste. Sie wollte den Mann sehen, den sie geheiratet hatte, den Mann, den sie geliebt hatte, aber er war verloren. Offenbar war alles ein Irrtum gewesen, Paul hatte zu Beginn ihrer Ehe sein Bestes gegeben, und aus Gründen, die sie nicht begreifen konnte, war er dann langsam zurückgefallen, bis sie ihn nicht mehr erreichen konnte, bis sie kaum noch erkennen konnte, wer er war. Es machte ihr angst, daß sie geglaubt hatte, ihn so gut zu kennen, und daß sie ihn jetzt scheinbar überhaupt nicht mehr kannte.
    Sie schaltete seufzend zwischen den Fernsehkanälen hin und her, suchte nach einer Sendung ohne Sex und Gewalt und reales Geschehen und entschied sich schließlich für einen unabhängigen Kanal aus Minneapolis, aus dem zum millionsten Mal The Parent Trap lief: ein verrückter Abenteuerfilm mit Hayley Mills in der Doppelrolle von Zwillingsschwestern. Klassischer Quatsch aus den Sechzigern, in denen sich die Welt noch an die letzten Reste von Unschuld geklammert hatte.
    Und schon drängten sich die Neunziger dazwischen in Form einer Sondermeldung. Eine ernst dreinschauende Nachrichtensprecherin mit einem Helm gesprayter roter Haare füllte das halbe Bild aus, die andere Hälfte nahm das Foto eines kleinen Jungen ein, und die Schrift in dem roten Balken darüber wies ihn als vermißt aus.
    »Oh, mein Gott«, murmelte Hannah.
    »Die Behörden der Kleinstadt Campion in Park County leiteten heute abend eine ausgedehnte Suche nach dem achtjährigen Dustin Holloman ein, der am Nachmittag aus einem Stadtpark, in dem er mit Freunden spielte, entführt wurde. Die Entführung zeigt auffällige Ähnlichkeit mit dem Fall von Josh Kirkwood aus Deer Lake, das ebenfalls zu Park County gehört. Josh, der am zwölften Januar entführt wurde, wurde gestern nacht unversehrt zu seiner Familie zurückgebracht. Die Familie von Dustin Holloman kann nur auf

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