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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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nie mit Feindseligkeiten konfrontiert worden. Sie hatte nie die dafür erforderlichen Fähigkeiten erworben. Selbst jetzt, nachdem sie sie sich widerwillig angeeignet hatte, nutzte sie sie nur sehr unbeholfen, unsicher. Sie fühlte sich aus dem Gleichgewicht gebracht und wußte, daß das, was fehlte, die Unterstützung ihres Mannes war. Sie und Paul waren für lange Zeit ein Team gewesen, bevor sie das Gleichgewicht verloren hatten. Ohne ihn fühlte sie sich wie das Opfer einer plötzlichen Amputation.
    Die Tür von der Garage zum Abstellraum hinter der Küche öffnete und schloß sich. Hannah wirbelte herum und stellte sich automatisch zwischen den unbekannten Eindringling und ihren Sohn. Dann schwang die Küchentür auf, und Paul kam herein.
    »Du hättest vorher anrufen können«, sagte Hannah wütend, als er die Küche betrat.
    »Es ist immer noch mein Haus«, erwiderte Paul trotzig.
    Hannah holte Luft für die nächste Attacke, zwang sich dann aber, ruhig zu bleiben. Es war zur Gewohnheit geworden – dieses Angreifen und Parieren der verbalen Kriegsführung. Sie machten sich nicht mal mehr die Mühe zu grüßen. Sie hatten ein Jahrzehnt lang ihr Leben geteilt, zwei Kinder in die Welt gesetzt, und dahin war es nun gekommen.
    »Du hast mich erschreckt«, gab sie zu.
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich widerwillig. »Ich hätte es wissen müssen. Ich habe nicht gedacht, daß du dich so schnell an meine Abwesenheit gewöhnst.«
    »Das ist es nicht.«
    Er zog ironisch eine Augenbraue hoch. »Oh, dann hast du also beschlossen, daß es vielleicht doch einen Grund gibt, Angst vor mir zu haben?«
    »Oh, mein Gott.« Sie drückte ihre Handballen gegen die geschlossenen Augen. »Ich versuche höflich zu sein, Paul. Kannst du mir nicht wenigstens auf halbem Weg entgegenkommen?«
    »Du bist diejenige, die mich hinausgeworfen hat.«
    »Du hast es verdient. Bitte. Bist du jetzt glücklich? Waren wir fies genug zueinander?«
    Er wandte sich ab, starrte auf den Kühlschrank und die Notizen und Fotos, die die Tür übersäten. Beweise für ihr Leben als Familie.
    »Ich bin gekommen, um Josh zu besuchen«, sagte er leise.
    »Er schläft.«
    »Dann kann ich ihn ja nicht verängstigen, nicht wahr?«
    Hannah verkniff sich eine Antwort. Sie war sich nicht sicher, was sie seiner Meinung nach jetzt tun sollte oder was sie selbst tun wollte. Sie wollte nicht denken, daß Josh einen Grund hatte, vor seinem Vater Angst zu haben. Die Logik sagte ihr, daß es keinen Grund gab, daß Garrett Wright der Schuldige war. Garrett Wright war im Gefängnis.
    Und ein weiteres Kind war entführt worden.
    Und es war Paul, auf den Josh so heftig reagiert hatte.
    »Er ist auf der Couch eingeschlafen«, sagte sie, drehte sich um und ging ins Wohnzimmer.
    Paul folgte ihr, die Hände in den Taschen, die Füße schleppten sich schwer über den Berberteppich. Er sah über die Lehne des Sofas auf seinen Sohn hinunter, und ein namenloses Gefühl verzerrte ihm das Gesicht.
    »Wie geht es ihm?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Redet er?«
    Sie zögerte den Bruchteil einer Sekunde, wollte ihr Herz ausschütten, aber dann wurde ihr klar, daß sie sich Paul nicht anvertrauen mochte. »Nein. Nicht richtig.«
    »Wann geht er wieder zum Psychiater?«
    »Morgen. Ellen North und Cameron Reed vom Büro des Distriktanwalts sind gestern mit Fotos hiergewesen, um zu sehen, ob er Garrett Wright identifizieren kann.«
    Er sah sie scharf an. »Und?«
    »Und nichts. Er hat sich die Fotos angesehen und ist weggegangen. Offenbar blockt er die ganze Sache ab. Dr. Freeman sagt, es könnte lange dauern, bis er sich der Sache stellt. Das Trauma war zu schwer für ihn. Man hat ihm wahrscheinlich befohlen, nicht darüber zu reden. Bedroht. Gott weiß was.«
    »Gott und Garrett Wright.«
    Paul beugte sich hinunter und berührte Joshs Haar. Eine verirrte Locke kräuselte sich um seinen Zeigefinger, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Hannah blieb stehen, wo sie war, wissend, daß sie noch vor kurzem zu ihm gegangen wäre, ihre Arme um ihn gelegt und seinen Schmerz geteilt hätte. Daß sie das nicht mehr tun würde, machte sie unendlich traurig. Wie konnte ihre Liebe so restlos vergehen? Was hätten sie tun können, um sie zu erhalten?
    »Ich wünschte, wir könnten zurückgehen«, flüsterte Paul. »Ich wünschte . . . Ich wünschte . . .«
    Dieses Lied war ihr so vertraut wie ihr eigener Herzschlag. Hannah konnte die leeren Wünsche, die unerwiderten Gebete nicht mehr zählen. Das

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