Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Wichtigste war wahr geworden – Josh war wieder zu Hause – , aber es hatte eine Reihe ganz neuer Bedürfnisse und Sehnsüchte und Fragen mit sich gebracht, von denen sie nicht wußte, ob sie wirklich die Antworten wissen wollte.
Ich w ü nschte, wir k ö nnten zur ü ckgehen . . . Zu einer Zeit ihres Lebens, die jetzt ein fernes Märchen zu sein schien. Es war einmal, daß sie so glücklich gewesen war. Jetzt waren da nur noch Bitterkeit und Schmerz. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage – das war so fern wie der Mond.
»Ich werde ihn ins Bett tragen«, murmelte Paul.
Hannah wollte schon nein sagen, besorgt, Josh könne von der Bewegung aufwachen und beim Anblick seines Vaters in Panik geraten. Aber sie hielt statt dessen die Luft an und bat Gott um diese eine kleine Gnade. Was immer zwischen ihnen beiden schiefgelaufen war, sie wollte nicht, daß Paul so sehr verletzt würde. Sie wollte nicht glauben, daß er es verdiente.
Sie folgte ihnen die kurze Treppe hinauf und stand in der Tür zu Joshs Zimmer, als Paul ihn in die untere Koje des Doppelstockbetts legte und die Decke um ihn herum feststeckte. Er küßte seine Fingerspitzen und drückte sie sanft gegen Joshs Wange, dann ging er über den Gang und sah nach Lily.
»Sie fragt nach dir«, gab Hannah zu.
»Was hast du ihr gesagt?«
»Daß du für eine Weile woanders wohnst.«
»Aber es ist nicht nur für eine Weile, nicht wahr, Hannah?«
sagte er mehr anklagend als hoffnungsvoll. »Du brauchst mich nicht.«
»Ich brauche das nicht«, sagte sie scharf, als sie ins Wohnzimmer kamen. »Dieses ständige Anschleichen von hinten, die abfälligen Bemerkungen, das Gefühl, daß ich dein Ego mit Samthandschuhen anfassen muß. Ich würde viel darum geben, wenn ich das alles um Joshs willen ignorieren könnte, aber offenbar bringst du es nicht fertig, daß . . .«
» Ich « , Paul schlug mit der Faust an seine Brust. »Ja, ich bin schuld. Scheiße. Du bist diejenige, die . . .«
»Hör sofort damit auf!« forderte Hannah. »Ich höre mir das nicht noch einmal an. Hast du mich verstanden, Paul? Ich habe es satt, daß du mir die Schuld gibst. Ich habe Schuldgefühle genug für uns beide. Ich tue mein Bestes. Was du tust, weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal mehr, wer du bist. Du bist nicht der Mann, den ich geheiratet habe. Du bist niemand, mit dem ich zusammensein will.«
»Na, das ist ja wunderbar«, sagte er verächtlich. »Ich verschwinde.«
Und so schloß sich der Teufelskreis wieder, dachte Hannah, als die Tür zuschlug. Sie hatten diesen Tanz so oft getanzt, daß ihr schon beim Gedanken daran schwindlig wurde. Sie ließ sich erschöpft in einen Ohrensessel fallen und griff nach dem tragbaren Telefon am Ende des Tisches. Sie brauchte einen Anker, einen Freund, jemand, den sie lieben und sich dabei sicher fühlen konnte, selbst wenn er ihre Liebe nie erwidern durfte.
Das Telefon am anderen Ende der Leitung klingelte einmal, zweimal.
»Gottes Lieferservice. Frei Haus.«
Ein Lächeln zitterte über Hannahs Mund.
»Wir haben heute abend Buße im Sonderangebot – drei Rosenkränze für den Preis von zweien.«
»Und wie steht's mit einer Schulter zum Ausweinen?« fragte sie.
Das Schweigen war von Wärme erfüllt. »Beim Kauf von einer gibt's eine zweite gratis dazu«, sagte Pater Tom leise.
»Kann ich anschreiben lassen?«
»Jederzeit, Hannah«, flüsterte er. »Wann immer du mich brauchst, ich bin für dich da.«
Paul tastete sich vorsichtig am Rand des Waldes entlang, der die Grenze des Quarry Hills Park bildete. Das Mondlicht wurde immer wieder von dunklen Wolken unterbrochen, die wie Ruß-klumpen über den Himmel schrammten. Er kannte den Weg gut genug. Der Weg, eigentlich für Langläufer bestimmt, war in den letzten Tagen von zahllosen Stiefeln zertrampelt worden, als die Polizei den Abhang nach Indizien durchkämmt hatte. Zerfledderte gelbe Polizeibänder hingen wie synthetische Schlingpflanzen an den Baumstämmen.
Er versuchte, sie zu ignorieren und nicht an den Grund seines Hierseins zu denken. Er brauchte eine Pause in diesem Alptraum. Er brauchte Trost, er brauchte Liebe. Er brauchte etwas Besseres, als von Hannah niedergemacht zu werden. Sie hätte sehen müssen, unter welchem Streß er litt. Wenn sie eine richtige Ehefrau wäre, dann würde er heute abend in seinem Bett schlafen. Statt dessen war er auf dem Weg zur Frau eines anderen Mannes.
Daß der Mann heute abend im Gefängnis saß, beschuldigt, Josh entführt zu
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