Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
die Augen. Das Video konnte keine Fälschung sein. Es war nicht verwackelt, absolut hoch auflösend und mit einem durchlaufenden Timecode versehen. Man konnte die Angst und die Panik in den Augen von Nicolas Brigg deutlich erkennen – und diese Angst übertrug sich unmittelbar auf den Betrachter. Der junge Nachrichtentechniker aus Iowa, gerade einmal 26 Jahre jung, wollte im Irak helfen und zerstörte Telefonanlagen reparieren. Jetzt saß er da und wusste, dass er in Kürze sterben würde. Aber er konnte nicht mit stolzgeschwellter Brust oder in heroischer Pose sterben. Weil er sich keiner Schuld und keines Verbrechens bewusst war und nur an seine Frau dachte, die ihm vor einem Jahr einen gesunden Jungen geschenkt hatte. Seine Angst war übermächtig, er zitterte am ganzen Leib; seine kurzen Shorts und die nackten Beine und Füße nahmen ihm jegliche Würde und offenbarten jedes Detail. Urin rann seine Beine hinunter und er flehte leise und verzweifelt um sein Leben. Ein letztes Mal richtete Nicolas Brigg seinen Kopf nach oben und wimmerte mit Tränen in den Augen ein leises »Bitte, ich will nicht sterben.« Dann hob der Henker sein Schwert zum Schlag.
KAPITEL 2
26. Januar, 21.48 Uhr
Washington, D.C., Pentagon
A dmiral Adam Adamski hatte es eilig, verdammt eilig sogar. Der einundsiebzigjährige Vier-Sterne-General wurde von seinen Beinen, deren Oberschenkel den Umfang von Baumstämmen hatten, die Stufen in eine der oberen Etagen des Pentagon hoch getragen. Adamski hasste Fahrstühle; nicht deren Enge wegen, sondern aufgrund der Wartezeit, die man oftmals vor ihnen verbrachte. Im Sturmschritt, geradeso als gelte es einen neuen Rekord für das Guinness Buch der Rekorde aufzustellen, wuchtete er seinen nur einen Meter fünfundsechzig großen muskelbepackten Körper höher und höher. Seine stahlblonden und kurz geschorenen Haare kontrastierten dabei zu seiner leicht gebräunten und ledrigen Haut, die sich seit fast fünfzig Jahren auf allen Meeren ihr eigenes persönliches Oberflächenprofil gegeben hatte.
Während andere Männer seines Alters die Zeit mit kleinen weißen Bällen auf Golfplätzen oder im heimischen Garten beim Züchten von Rosen verbrachten, forderte Adamski in einem täglichen 14-Stunden-Programm seinen Körper und seinen Geist. Der Admiral war Gründer und Direktor der NUSA, der National Underwater & Space Agency; jener Organisation, die sich halb der Wirtschaft und halb der Politik beziehungsweise dem Militär verschrieben hatte und deren Aufgabengebiet hoch komplexe und oftmals gefährliche Einsätze zwischen Himmel und Hölle waren, wie ein Mitarbeiter einmal treffend formuliert hatte. Die NUSA verwendete neueste Technologien und operierte mit allerlei modifizierten, neu konstruierten und manchmal auch konfiszierten Flug- und Tauchapparaten, deren Herkunft teilweise niemand so genau verifizieren konnte. Die Kunden waren Ölfirmen, wissenschaftliche Institute, private wie regierungsnahe Organisationen, reiche und unabhängige amerikanische Industrielle. Bisweilen war es auch die NSA, die CIA oder der Präsident selber, welcher die NUSA um Hilfe bei einem delikaten Problem im In- oder Ausland bat. Die NUSA operierte weltweit, diskret, meist ohne Kenntnis der breiten Öffentlichkeit. Die NUSA gönnte sich noch nicht einmal eine eigene Webseite im Internet. Wer ein Problem, eine patriotische Gesinnung und eine dicke Geldbörse hatte, würde früher oder später über die entsprechenden politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Beziehungen zu Admiral Adam Adamski vorstoßen. Der alte Haudegen konnte auf fünf Jahrzehnte aktiver maritimer Tätigkeit zurückblicken, wobei seine Stationen einen biografischen Bestseller gerechtfertigt hätten: kommandierender Offizier auf einem Zerstörer im Zweiten Weltkrieg, in gleicher Funktion auf einem Atom-U-Boot während des Kalten Krieges; Herrscher über ein achtunddreißig Millionen Quadratmeilen großes Einsatzgebiet bei der Zweiten Flotte im Nordatlantik und schließlich die rechte Hand eines amerikanischen Präsidenten, der in Fragen der nationalen Sicherheit einen kampferprobten und zugleich weitsichtigen Sicherheitsberater an seiner Seite gewünscht hatte. Admiral Adamski symbolisierte den Patrioten und Militär, der über Parteigrenzen hinweg loyal seinem Vaterland diente.
Sein politisches Gespür und seine intuitive Auffassungsgabe bei sich ändernden Machtverhältnissen bei den Technokraten in Washington sagten ihm schon lange vor dem
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