Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Wie der Stechrüssel eines Moskitos ragte der Multifunktionsarm des Raumgleiters backbord voraus und jagte den deutschen Astronauten, der sich wahrscheinlich schon längst aufgegeben hatte. Die Minuten verstrichen, dann meldete sich Hunter über Funk zurück.
»Der Deutsche ist am Haken und wohlauf. Wenn ich das richtig verstehe, hat er ein Problem mit dem Sauerstoff.«
»Wie lange noch?«
»Er signalisiert zehn Minuten.«
»Dann wird es höchste Eisenbahn. Nimm ihn zu dir an Bord!«
»Dann hätten wir nur noch einen Platz frei, falls es hart auf hart kommt und wir von hier verschwinden müssen.«
»Tracys Platz«, lautete die knappe Antwort.
KAPITEL 105
28.04., 16.10 Uhr UTC
Apogäum, Internationale Raumstation
W o ist Tracy Gilles?«, brüllte Hassan den Kommandanten der ISS an und fuchtelte hasserfüllt mit seiner Pistole vor dessen Kopf herum.
»Sie wollte mal austreten«, erwiderte Kennedy mit Unschuldsmiene.
»Austreten? Jetzt? Ich glaube dir kein Wort. Ruf sie sofort zurück!«
Der graumelierte Kommandant griff an das Mikrofon der Bordsprechanlage und bat Tracy darum, zurück zum Modul zu kommen. Dann meldete sich Miller über die Anlage. Seine Stimme bebte vor Wut.
»Der Kerl da draußen konnte sich vom Roboterarm befreien. Das unbekannte Objekt hat ihm dabei Hilfe geleistet. Und jetzt macht sich der Kerl da draußen an den Kameras zu schaffen.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Wo bleibt die kleine Schlampe, Hassan?«
Der Araber funkelte mit seinen Augen in die Runde. Kennedy, Brown und Putinowa hielten sich mit jeglichen Kommentaren zurück.
»Wie du gehört hast, ist sie angeblich mal austreten. Ich warte hier auf sie.«
»Wenn sie in drei Minuten nicht zurück ist, steckst du die Russin in die Schleuse. Und diesmal ohne Raumanzug.«
Olga Putinowa musste schlucken, schaffte es aber, ihre aufsteigende Panik hinter einer steinernen Fassade zu verstecken.
»Du hast gehört, was der Boss gesagt hat«, drohte Hassan der attraktiven Kosmonautin. »Wenn deine Kollegin nicht rechtzeitig zurück ist, bekommst du auch einen kleinen Gratisflug durchs All.«
»Nehmen Sie mich«, sagte Doug Brown und schaute Hassan voller Abscheu in die Augen.
»Oh, da will wohl einer den edlen Ritter spielen«, höhnte Hassan. »Aber dein Auftritt kommt erst später. Immer schön der Reihe nach.« Ohne jegliche Vorwarnung schoss er Brown aus nächster Nähe in die Kniescheibe. Die Kugel trat an der Kniekehle wieder aus und bohrte sich durch eine Schaumstoffverkleidung in einen Computerschrank, wo sie ohne weitere Folgen stecken blieb. Der Kommandant der Atlantis schrie laut auf und krümmte sich vor Schmerzen.
»Aaaarrrgh!«
Sofort kümmerten sich Kennedy und Putinowa um den Verwundeten. Blut, Knochenstückchen und Gewebeflüssigkeit traten aus der Wunde aus und schwebten umher.
»Was ist da los? Hat da jemand geschossen«, wollte Miller wissen. Der Schuss war bis zu seinem jetzigen Arbeitsplatz zu hören gewesen.
»Ich musste hier ein kleines Problem lösen«, antworte Hassan und beobachte fasziniert, wie abgestorbene Materie um Browns Knie wirbelte, während Olga Putinowa versuchte, dem wimmernden Verletzten einen Druckverband anzulegen. »Der Schwarze wird uns zumindest keine Schwierigkeiten mehr bereiten.«
»Bist du wahnsinnig geworden, hier einfach rumzuballern?«, schrie Miller.
»Hannibal, sei unbesorgt. Ich habe den Schuss so angesetzt, dass die Kugel nur ihn und nicht die ISS beschädigen konnte.«
Einen Augenblick herrschte Funkstille, dann forderte Miller seinen Weggefährten auf, die Präsidententochter zu finden.
»Aber vorher kettest du die Crew irgendwo fest. Und zwar so, dass ihnen keine Möglichkeit bleibt, in die Reichweite irgendwelcher Kommunikationsanlagen zu kommen. Verstanden?«
»Gilt das auch für diese russische Hure?«
»Ja verdammt, vergiss die Russin und die Schleuse. Die Gilles hat jetzt Priorität. Wer weiß, was sie gerade anrichtet. Finde sie!«
»Wenn ich diese Typen hier unschädlich gemacht habe, bringe ich dir Tracy Gilles. Versprochen!« Dann zog Hassan seine Handschellen aus dem mitgeführten Rucksack.
»Also gut. Und stell den Präsidenten rüber. Dieser Clown wartet schon seit einer Ewigkeit in der Leitung. Es wird Zeit, ihm den Ernst der Lage begreiflich zu machen.«
Hassan grinste und drückte einen Schalter. Er konnte es sich nicht verkneifen, selber ein paar Worte an das amerikanische Staatsoberhaupt zu richten.
»Mr President, ich hoffe Sie haben
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