Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
in quälend langsamer Geschwindigkeit ausfuhr, blickte Spacy voller Unruhe auf die Außenschleuse, aus der nun der deutsche Astronaut hilflos wie ein auf den Grund des Ozeans sinkender Stein in den Weltraum abdriftete.
»Lass mich hier hängen und kümmer dich um den armen Kerl dort«, forderte Spacy Hunter auf.
»Nein, darum kümmere ich mich später.«
»Verdammt, lass mich hier hängen und schnapp dir Reiter!«
»Spiel bitte nicht den Helden und halt mal für eine Minute die Klappe. Ich muss mich konzentrieren.«
Spacy wusste, dass es zwecklos war, zu widersprechen. Besorgt betrachtete er den auf ihn zufahrenden Teleskoparm, während der Deutsche in dem alten und ganz offensichtlich steuerungsunfähigen Orlan-Raumanzug der Erde entgegen schwebte.
»Wäre klasse, wenn du den Arm nicht gerade in meine kostbarsten Stücke rammen würdest.«
»Mark, ich muss mich konzentrieren.«
Spacy registrierte, wie auf Hunters Steuerbefehl hin zwei Kreissägen am Ende der mehrgelenkigen Arms anfingen zu rotieren. Obwohl er keine Außengeräusche wahrnehmen konnte, verursachten die im irren Tempo kreisenden Sägeblätter auch so einen Schweißausbruch. Sie waren bereits bedrohlich nahe in Höhe seiner Oberschenkel, als die Teleskopstange plötzlich im schrägen Winkel aus seinem Blickfeld glitt und irgendwo hinter seinem Helm verschwand.
»Und jetzt bitte nicht mehr bewegen«, sagte Hunter. »Ich habe nämlich nicht gerade die beste Sicht.«
»Und ich hatte schon befürchtet, es gäbe ein größeres Problem.«
Dann waren hässliche Geräusche zu vernehmen. Geräusche die so schrill klangen, als ob ein Zahnarzt seinem Patienten einen Zahn in zwei Stücke spaltete. Obwohl Spacy in dem aufgeheizten Raumanzug aus allen Poren schwitzte, bekam er gerade eine Gänsehaut.
»Ich trenne den Greifer des Candarm2 vom Untergerüst. Ganz schön komplizierter Eingriff.«
»Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du keine Arterie verletzen würdest.«
»Ich gebe mir Mühe.«
Hunter kam sich wie ein Metzger vor, der mit den grobschlächtigen Utensilien eines Schlachters ein Insekt tranchieren sollte.
»Der Druck lässt nach, ich glaube du bist gleich durch«, sagte Spacy.
»Nicht bewegen!«, ermahnte ihn sein Freund erneut.
Eine weitere Minute verstrich, dann rotierten die Sägescheiben im luftleeren Raum. Spacy war frei.
»Puh, das war hervorragende Arbeit. Und nun muss ich zusehen, dass ich unseren Ausreißer einfange.«
»Dafür reicht dein Treibgas nicht mehr«, bemerkte Hunter.
Spacy wog fieberhaft die Möglichkeiten ab. Wahrscheinlich hatte Hunter Recht. Obwohl es ihm widerstrebte, traf er eine Entscheidung.
»Also gut, versuch ihn mit der Independence einzufangen und komm dann zurück. Ich werde das Carfentanyl einleiten und über die Atlantis reingehen. Eine andere Wahl haben wir nicht.«
»Das klingt nicht gerade vielversprechend. Wenn die Dosis zu hoch ist …«
»Nicht schon wieder dieses Thema. Aber vielleicht kannst du Tracy und die Crew irgendwie vorwarnen.«
»Und wie?«, fragte Hunter und fing an zu grübeln.
»Auf jeden Fall nicht über die bekannte Funkfrequenz der ISS. Informiere Admiral Adamski. Houston soll sich was einfallen lassen. Irgendeine Vorwarnung, damit die da drin in fünf Minuten Sauerstoffmasken aufsetzen.«
»Dafür reicht die Zeit nicht, Mark. Außerdem könnte die Entführer davon Wind bekommen. Wir liefern denen ohnehin schon genügend Bildmaterial.«
»Dann werde ich das Risiko eben eingehen müssen und die Ventile öffnen«, versetzte Spacy mit galliger Stimme.
»Hm …«
Ein paar Sekunden herrschte Ruhe und Nachdenklichkeit. Im Grunde genommen waren die Chancen der NUSA Männer eher gesunken als gestiegen. Sie hatten keine Wahl und mussten alles auf eine Karte setzen. Das Carfentanyl war der letzte Trumpf. Ein vielleicht tödlicher Trumpf.
»Haben die da drin denn überhaupt die Gasflaschen an der Außenhülle im Blickwinkel der Kameras?«, wollte Hunter plötzlich wissen, während er das Mini Shuttle bereits auf die Verfolgungsroute des abgetriebenen deutschen Astronauten manövrierte.
»Ich glaube nicht. Aber um an diese Stelle zurück zu gelangen, muss ich wieder an den Kameras vorbei. Spätestens dann haben sie mich. Es sei denn …«
»Es sei denn, du zerstörst die Kameras«, dachte Hunter laut Spacys Gedanken zu Ende.
»Okay, packen wir den Holzhammer aus. Auf geht’s!«
Keine Sekunde später war Spacy auf dem Weg zum Pirs-Modul, während Hunter erneut auf Beutezug ging.
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